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Tod im Apotherkerhaus

Tod im Apotherkerhaus

Titel: Tod im Apotherkerhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Fensterseiten hingen mehrere Büschel Lavendel. Daher also der angenehme Duft, dachte Rapp und sah sich weiter um. Ein Wandbrett trug irdene Teller und Krüge, dazu einen runden Stickrahmen. Daneben befand sich ein kleines Hamburger Schapp über einer Korbtruhe. Aus der Mauer zur Rechten ragte eine Stange mit Bügeln hervor, an denen mehrere Blusen und Kleider von unterschiedlicher Größe hingen. Gegenüber bullerte ein kleiner Ofen vor sich hin. Auf ihm wurde ein Plätteisen erhitzt. Alles schien seinen angestammten Platz zu haben. Rapp fühlte sich auf Anhieb wohl.
    »Hest di den Foot verpeddet, wat? Denn plant di dor man hen.« Mine wies auf einen Schemel neben ihrem Schneiderstuhl und nahm selbst Platz. Ihre Augen waren dabei unverwandt auf den Besucher gerichtet. Es waren blaue Augen, die Rapp an die Farbe seiner gesammelten Amethystdrusen erinnerte. Schöne Augen, wenn auch etwas gerötet. Sie waren Teil eines schmalen Gesichts mit gerader Nase und einem Mund, der dem gängigen Schönheitsideal nicht ganz entsprach, denn er war ein wenig zu breit und ein wenig zu voll. Doch Rapp gefiel er. Auch die winzigen Fältchen in den Augenwinkeln sagten ihm zu. Zwar waren sie ein Zeichen dafür, dass Hermine Witteke nicht mehr ganz jung war, aber ebenso ein Beweis, dass sie über ihrer Arbeit das Lachen nicht verlernt hatte.
    »Du hast es schön hier. Sehr gemütlich.« Rapp merkte selbst, wie er um den heißen Brei herumredete.
    »Jo. Un nu kumm to Stohl. Wat hest du op'n Haarten? Ik bruuk dat Licht för mien Flickeree.«
    »Äh, wie bitte? Es tut mir Leid, mein Plattdeutsch ist ziemlich miserabel. Ich muss immer genau hinhören, um etwas zu verstehen, und häufig gelingt es mir überhaupt nicht.« »Ich hab gesagt, komm zur Sache. Ich brauch das Licht, solang es da ist. Für meine Arbeit.«
    »Oh, du sprichst ja Hochdeutsch. Das ist schön ...« Rapp wusste trotzdem nicht weiter. Wenn er Mine, oder besser Hermine, bat, ihn für eine Weile bei sich zu beherbergen, musste er ihr wohl oder übel seine ganze Geschichte erzählen, und ob sie ihm die glaubte, stand dahin. Außerdem sah er nirgendwo ein Lager, auf dem er hätte nächtigen können. Nicht einmal ihr eigenes Bett war zu entdecken. »Mein Vater wollt das so. Und nun sag, was los ist.« Hermine hatte ihren Vater erwähnt. Das war gut. Rapp sah darin einen Ansatzpunkt. »Dein Vater hat doch im Apothekenhaus Rapp gearbeitet, nicht wahr?«
    Mines Blick verfinsterte sich. »Ja, warum? Was hat das mit dir zu tun?«
    Rapp fingerte wieder an seinem Hemd. »Tja, nun, um es gerade heraus zu sagen, ich bin der Apotheker Teodorus Rapp, dein Vater hat bis vor einem halben Jahr bei mir gearbeitet...« »Du wullt Afteker sien?«
    »Ja, in der Tat. Ich weiß, dass ich zur Zeit nicht so aussehe, aber ich bin es wirklich.«
    »Dat kannst du een verteilen, de sich mit'n Klemmbüdel pudern deit!« Über Mines hübscher Nase bildete sich eine steile Falte.
    »Ich habe mir schon gedacht, dass du mir nicht glauben wirst. Aber ich versichere dir, es ist die Wahrheit. Mir ist etwas Schreckliches passiert, ich kann zur Zeit nicht in meinem Apothekenhaus wohnen, und ich kenne niemandem außer dir, den ich fragen könnte, ob ich nicht für ein paar Tage ...« »Dumm Tüüg!« Mine wurde es zu bunt. Sie sprang auf und griff zur Schneiderschere. »Wenn du Afteker büst, bün ik de spaansche Königin! Rut mit di!«
    Auch Rapp hatte sich erhoben. Mines Schere vor der Brust, überlegte er fieberhaft, wie er sie davon überzeugen konnte, wirklich Teodorus Rapp zu sein. Endlich fiel ihm etwas ein. Er schob den linken Ärmel seines Hemdes hoch und zeigte auf eine Narbe, die so groß wie ein Portugaleser und so leuchtend wie ein Feuermal war. Sie saß innen am Unterarm. »Ich habe diese Verletzung beim Experimentieren mit liquores zur Konservierung davongetragen. Dein Vater war dabei, als es geschah.« Mine zögerte.
    Rapp redete weiter. Der lateinische Ausdruck hatte ihn auf eine Idee gebracht. Wenn er Hermine weitere Begriffe nennen würde, mochte sie ihm vielleicht eher glauben. Er zählte auf, was ihm als Erstes in den Sinn kam: »Chamomilla recutita, Hamamelis virginiana, Atropa belladonna, Solidago virgaurea, Daucus carota.«
    Mine sagte noch immer nichts.
    Rapp setzte nach: »Das alles sind Pflanzen, Hermine, aus denen sich Arznei für deine geröteten Augen herstellen ließe. Du hast eine leichte Bindehautentzündung, vermutlich von deiner Arbeit. Mir fiel es sofort auf. Glaubst du mir

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