Tod im Apotherkerhaus
die beiden schweren Panzer der Galapagos-schildkröten noch obendrauf! Über seine zarten Muscheln und Schnecken! Er schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass seine Kleinode diesem Druck standhielten und spürte gleichzeitig Fixfööts Hand, die sich um seinen Unterarm krallte. »Ja, ja, ich mache ja nichts«, zischte er, »ich bin ganz ruhig.« »Wenn das man stimmt«, kam es zurück. »Guck, jetzt fahren sie los.«
In der Tat setzte sich der Karren in Bewegung; zwei der Halunken gingen hinter dem Wagen, einer davor. Es war der mit dem Licht. Er hatte es ausgemacht und sollte wohl nach vorne sichern. Die Fuhre bewegte sich in Richtung Hafen, wie Rapp schon vermutet hatte. Die Tür zur Apotheke ließen sie achtlos offen.
Rapp ballte die Fäuste. »Diese verfluchten Banditen! Am liebsten würde ich sofort hinüberrennen und die Tür zumachen, aber es ist wohl klüger, zu warten, bis die Bande außer Sichtweite ist.«
»Hast Recht, Teo, aber keine Sorge, die entwischen uns nicht.« »Die Kerzen im zweiten Stock haben sie auch nicht gelöscht! Wo haben die Kerle nur ihren Kopf! Ich werde hinauflaufen und sie ausblasen müssen, sonst kriege ich noch den roten Hahn ins Haus!« Rapp beruhigte sich etwas. »Nun, bei der Gelegenheit bekomme ich wenigstens einen Überblick, was genau fehlt.«
»Gut, Teo, aber mach zu. Ich lauf gleich hinterher. Die gehen uns nicht durch die Lappen.«
Ungeduldig warteten beide, bis sich der Karren so weit entfernt hatte, dass er um die Straßenbiegung verschwunden war. Dann nahm Fixfööt die Verfolgung auf, und Rapp stürzte über die Straße in sein Haus. Der vertraute Duft nach Kampfer, Baldrian, Melisse, Süßholz und allerlei Kräutern stieg ihm in die Nase, doch er merkte es kaum. Mit rudernden Armen, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, sprang er die Holztreppe empor, kam in den zweiten Stock und blickte sich um. Da war er, der große Schrank mit den Gastropoden und Conchylien. Er war unversehrt, doch im unteren Bereich sah er aus, als hätte man ihn seiner Zähne beraubt. Klaffende, breite Lücken taten sich dort auf, wo früher einmal die Schubladen gewesen waren. Für einen leidenschaftlichen Sammler wie Rapp ein unerträglicher Anblick. Er wandte sich ab und stellte fest, dass außer den beiden Schildkrötenpanzern nichts im Raum fehlte. Isi, das gute Kind! Sie hatte richtig beobachtet. Insgesamt machte der Raum einen ordentlichen, intakten Eindruck. Gott sei gelobt und gepriesen! Rapp atmete erleichtert aus. Ein Teil der Spannung fiel von ihm ab.
Am liebsten hätte er sich jetzt seiner Ayes-Sammlung zugewandt, und hier besonders seinen Kolibris, denn vor gar nicht langer Zeit hatte er einen der seltenen Eutoxeres aquila in seinen Besitz bringen können, und dieses herrliche Exponat wartete noch darauf, der Art und der Farbe nach zwischen den Helm und Topaskolibris platziert zu werden. Was waren das doch für prachtvolle Vögel! Sie wogen nur den Bruchteil einer Unze und galten dennoch als Meister der Lüfte. Rapp hatte es niemals selbst gesehen, aber von verschiedenen Seiten gehört, dass die winzigen Federbällchen es verstanden, sich im Schwirrflug sowohl vorwärts und rückwärts als auch aufwärts und abwärts zu bewegen - immer in dem emsigen Bemühen, Blütennektar mit ihrem langen, gebogenen Schnabel aufzunehmen ... Rapp riss sich los. Jetzt war beim besten Willen nicht die Zeit, über Trochilidae zu sinnieren. Er griff sich den Leuchter, wollte damit die Treppe hinunterhasten und hielt unvermittelt inne. Die drei Halunken waren zwar dumm, aber waren sie so dämlich, dass sie nicht bemerken würden, wenn der Leuchter wieder unten in der Offizin stand? Darauf wollte Rapp sich nicht verlassen. Also ließ er den Ständer, wo er war, und blies lediglich die Kerzen aus. Allmählich pressierte es. Rapp konnte sich nicht mehr die Zeit nehmen, die seine Augen brauchten, um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen, und hastete los. Folgerichtig stieß er sich schmerzhaft den Kopf am Treppenaufgang. Doch es blieb keine Zeit für Selbstmitleid. Verwünschungen ausstoßend eilte er die Stiege hinunter, fiel mehr, als dass er ging, langte endlich unten an und schloss die Tür zu seinem Haus. Das war geschafft. Rapp rieb sich die Beule auf der Stirn und lief in Richtung Hafen. Von Fixfööt war keine Spur zu sehen und von den Halunken erst recht nicht. Rapp beschleunigte seine Schritte. Gedanken jagten durch seinen Kopf. Was war, wenn er die anderen nicht mehr einholte? Wo waren sie?
Weitere Kostenlose Bücher