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Tod im Apotherkerhaus

Tod im Apotherkerhaus

Titel: Tod im Apotherkerhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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eilte gebückt hinterher. »Was wäre daran denn so schlimm?«
    »Gibt genug Bettler, die der Nachtwache gerne mal'n Wink geben. >Ich hab da zwei gesehen<, heißt's dann, >die haben sich so komisch benommen. Haben sich immer umgeschaut und an die Hauswände gedrückt. Die sahen so und so aus.<« »Aber warum sollten sie das tun?«
    »Weil eine Hand die andere wäscht. Taugt der Wink was, drückt die Wache mal'n Auge zu, wenn der Bettler am falschen Platz steht.« Fixfööt äugte in alle Richtungen, bevor er in die Deichstraße einbog. »Die Stadt sieht Bettelei nicht gern, weißt du. Komm mit, die Luft ist rein.«
    Rapp kam es seltsam vor, dass er, der bestohlen werden sollte, sich selbst wie ein Dieb verhalten musste. »Aber bei St. Nikolai duldet man die Bettler offenbar. Wieso?« »Die Handaufhalter stehen bei allen großen Kirchen. Manchmal ein Dutzend. Und mehr. Der Rat kann da wenig gegen haben, weil ja Jesus auch ein Bettler war. Sonst ist mit den Stadtvätern nicht gut Kirschen essen. Sind strenge Herrn. Noch schwerer haben's die Hübschlerinnen. Wenn eine bei der Hurerei erwischt wird, kommt sie an den Pranger, nur mit 'ner Lederhose an, und dann gibt's was mit dem Knüppel. Und die Leute zeigen mit dem Finger auf sie und johlen und klatschen und schmeißen mit faulem Obst und Fischköpfen. Anschließend geht's ab ins Spinnhaus. Kannst dir denken, das ist kein Zuckerschlecken da.«
    »Das glaube ich gern. Ich habe noch nie eine dieser, äh, Damen am Pranger gesehen, aber ich verlasse mein Haus auch nur selten«, gab Rapp zurück. Inzwischen hatten er und Fixfööt die Apotheke erreicht und bezogen auf der gegenüberliegenden Straßenseite hinter einem Mauervorsprung Stellung. Fixfööt zog Rapp noch mehr in Deckung. »Ich wollt mich noch bei dir entschuldigen. War gestern pampig zu dir, aber ich hatt Angst um Mine. Kannte dich ja nicht. Den Ruf als Hübschlerin hat man schnell weg in Hamburg, weißt du, und ich wollt nicht, dass Mine gebrandmarkt wird und ins Spinnhaus kommt.« Rapp schaute verdutzt drein. Nicht im Entferntesten hatte er an diese Gefahr gedacht. Zwar war ihm klar gewesen, dass die Leute wahrscheinlich tratschen würden, wenn er bei einer jungen Frau nächtigte, einfach, weil Kirche und Moral dagegenstanden, aber derartig drastische Folgen hatte er nicht für möglich gehalten. Das waren ja Sitten wie im finsteren Mittelalter, einer aufgeklärten Zeit nicht würdig!
    Fixfööt fuhr fort: »Aber dann hab ich dran gedacht, dass Mine immer weiß, was sie tut, und dass unser Hof zusammenhält, egal, was kommt, und dann hast du mich ja auch zum Lachen gebracht.«
    Rapp hatte die Sprache wiedergefunden. »Woraufhin wir das Kriegsbeil begraben haben. Und so wollen wir es in Zukunft auch halten. Einverstanden?«
    »Einverstanden.« Fixfööt ergriff die ihm dargebotene Rechte. »Du musst dich nicht bei mir entschuldigen. Eher umgekehrt, weil ich nicht die ganze Tragweite meiner Handlungsweise überblickt habe. Lassen wir es also dabei. Wir sind quitt.« »Ist gut.«
    Die leichte Verlegenheit, die sich nun beider bemächtigte, wurde durchbrochen durch ein rumpelndes Geräusch. Es rührte von einem Karren her, der durch die Deichstraße herangeschoben wurde. Es war das Gefährt vom gestrigen Abend. Und es wurde bewegt von den drei Halunken! Rapp erkannte die Männer nicht genau wieder, dafür war es zu dunkel, aber der Größe und der Art nach, wie sie gingen, konnte es kaum einen Zweifel geben.
    Auch Fixfööt hatte die Kerle gesehen. Obwohl Rapp nichts sagte, legte der Rotschopf den Finger an die Lippen. Dann flüsterte er: »Du musst jetzt stark sein, wenn die Halunken dich beklauen, Teo. Halt still, bis der Karre"n voll ist, und sag um Gottes willen nichts. Denk immer, solang du weißt, wo die Sachen abbleiben, sind sie nicht weg. Wir wollen's doch genauso machen, wie Mine gesagt hat, oder?« Rapp nickte entschlossen: »Ja, ja, sicher.« Trotz dieses festen Vorsatzes kostete es ihn viel Überwindung, sich mit dem abzufinden, was seine Augen sahen. Wie beim ersten Mal begannen die Räuber mit den flachen Schubladen aus dem großen Schrank der Gastropoden und Conchylien. Jeweils zwei von ihnen trugen eine Lade, der dritte leuchtete ihnen mit einem abgedunkelten Licht. Als sie die sechs Schubladen auf den Karren gestapelt hatten - zu seiner Beruhigung sah Rapp, dass sie zwischen die Schubladen je eine dicke Decke legten -, folgte etwas, das ihm fast den Verstand raubte: Die ignoranten Kerle packten

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