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Tod im Beginenhaus

Tod im Beginenhaus

Titel: Tod im Beginenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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streichelte ihm über die Wangen.
    «Wir versuchen ja, Euch zu helfen, keine Angst!»
    Doch der alte Mann verstand sie nicht mehr. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er zur Decke und holte keuchend Luft, dann zuckte sein Leib noch einmal heftig. Im nächsten Moment brach sein Blick, und er sank in sich zusammen.
    Adelina hielt ihre Hand vor seinen halb offenen Mund. Sie spürte keinen Atemhauch mehr. Sie sah die Leiterin des Hospitals an. Irmingard beugte sich über Balthasar und horchte an seiner Brust. Dann richtete sie sich wieder auf und bekreuzigte sich.
    Für einen Moment sah es so aus, als wollte sie sich abwenden. Doch dann rief sie nach den Pflegerinnen, die den Toten waschen und in ein Leichentuch einnähen sollten. Eine der Frauen schickte sie zu Vater Simeon. Heidrun kam mit einem großen Eimer Wasser angelaufen und wischte das Erbrochene vom Boden auf. Adelina trat einen Schritt zur Seite, um ihr Platz zu machen. Der Gestank zerrte an ihrem Magen, und sie musste sich zusammenreißen, um der aufsteigenden Übelkeit nicht nachzugeben. Trotzdem warf sie einen Blick aufdas, was die Pflegerin da aufwischte. Es war ein gelblich weißer Brei, eindeutig die Überreste der Haferpfannkuchen. Adelina wandte sich ab und ging zur Tür. Irmingard folgte ihr. Sie war sehr blass.
    «Wartet, Adelina. Es tut mir Leid. Ich hätte Euch holen sollen. Vielleicht hätte auch der Medicus etwas tun können.»
    «Ich weiß es nicht. Ich glaube nicht, dass wir dem armen Mann hätten helfen können. Diese Krankheit war schon zu weit fortgeschritten.»
    «Vielleicht habt Ihr Recht.» Irmingard senkte die Stimme. «Würdet Ihr trotz dieses Vorfalls wohl noch einen Augenblick bleiben und Euch meinen Neffen ansehen? Er hat sich schlimm erkältet.» Adelina nickte und wollte sich zur Saaltür umdrehen, doch die Begine fasste sie am Arm.
    «Er ist nicht dort drinnen.» Verlegen führte sie die junge Frau ein Stück den Gang hinunter zu einer Treppe, die in den oberen Stock führte. «Wir mussten ihn nach oben in ein abgesondertes Zimmer bringen. Er hat gestern wieder so einen Anfall bekommen und um sich geschlagen.» Gemeinsam stiegen sie die Stufen hinauf und betraten dann einen kleinen Raum, dessen Fenster vergittert und mit einer geflochtenen Matte gegen die Zugluft abgedichtet war. Auf einer dicken Strohmatratze lag ein schmächtiger, blasser Junge mit aufgedunsenem Gesicht. Seine Hände und Füße waren an grob zurechtgezimmerten Pfosten festgebunden, die die Matratze einrahmten und wohl ein Bettgestell darstellen sollten. Entsetzt starrte Adelina auf den gefesselten Jungen, der etwa in Vitus’ Alter war. Als er die beiden Frauen erkannte, zerrte er wild an seinen Fesseln.
    «Adrian.» Irmingards Stimme war sanft und liebevoll.«Du brauchst dich nicht zu fürchten. Adelina kennst du doch, nicht wahr? Sie hat dir immer Süßigkeiten mitgebracht, weißt du nicht mehr?» Die Bemühungen des Jungen, sich von den Stricken zu befreien, ließen nach, und er begann schief zu grinsen.
    «Adelina komm.» Seine Worte waren verzerrt und kaum zu verstehen. «Adrian krank.»
    «Ich weiß. Deine Tante hat mir schon gesagt, dass du dich erkältet hast. Warst wohl zu viel draußen bei dem schlechten Wetter.» Adrians Grinsen wurde noch breiter und schiefer, und er nickte heftig. Er lallte etwas Unverständliches, dabei kiekste seine Stimme unkontrolliert.
    «Könntet Ihr ihn wohl losbinden, damit ich ihn untersuchen kann?»
    Irmingard verzog das Gesicht.
    «Lieber nicht. Wir sind nicht sicher, ob der Anfall ganz vorbei ist.»
    Adelina untersuchte den Hals des Jungen und horchte an seiner Brust.
    «Er hat leichtes Fieber und wird einen ordentlichen Bellhusten bekommen», erklärte sie, und Irmingard nickte. «Ihr solltet ihm einen starken Sud aus Ingwer und Minze bereiten. Warme Umschläge um die Brust helfen auch.»
    «Ingwer ist teuer.»
    «Es ist aber eins der besten Mittel, um den Schleim in der Brust zu lösen», erwiderte Adelina und strich Adrian über die Wange. Sie fand es schrecklich, dass er wie ein Tier angebunden werden musste. Einen seiner Anfälle hatte sie noch nie miterlebt, aber sie wusste, es geschah sowohl zu seinem als auch zum Schutz der anderen Patienten. Doch der Junge schien sich beruhigt zu haben.«Ich werde Euch die Zutaten für den Sud noch heute bringen.»
    «Das ist sehr freundlich von Euch.» Irmingard lächelte ihr dankbar zu. «Aber nun entschuldigt mich. Ich muss mich um das Begräbnis des armen Balthasar

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