Tod im Beginenhaus
empfing sie den Medicus, als dieser am späten Nachmittag die Küche betrat. Schweigend zog er seinen Mantel aus. Adelina nahm ihm das Kleidungsstück aus den Händen und hängte es vor dem Ofen auf. «Nun?»
«Was, nun?» Burka setzte sich und faltete die Hände auf der Tischplatte. «Ihr schient in letzter Zeit nicht in der Stimmung, mit mir zu reden.»
«Wundert Euch das?»
«Ich habe mich im Hospital umgesehen und mich um Benedikt gekümmert. Ein gut geführtes Haus. Haben sie inzwischen das Stroh von den Böden entfernen lassen?»
«Es gab keine Toten mehr.» Adelina lehnte sich an die Tischkante. «Aber ich fürchte, es ist noch lange nicht vorbei.»
Der Medicus runzelte die Stirn.
«Es? Ihr verrennt Euch da in etwas. Und selbst wenn Ihr Recht hättet, könntet Ihr nichts beweisen.»
Adelina horchte auf. «Ihr räumt also ein, dass mein Verdacht richtig ist?»
«Dass er richtig sein könnte. Adelina, ich habe gehört, der Stadtrat versuche, das Hospital schließen zu lassen. Das Gebäude soll an die Stadt zurückgegeben werden.»
«Das wird die Grande Dame nicht zulassen.» Langsam ließ sich Adelina auf die Sitzbank sinken. «Sie hat jahrelang darum gekämpft, das Hospital zu erhalten. Der Beginenhof hat das Haus samt Grundstück gekauft.»
«Gepachtet», verbesserte der Medicus. Adelina starrte ihn überrascht an. Er nickte. «Ich war heute bei Werner Overstolz und habe mich erkundigt.»
«Ihr wart bei dem Ratsherrn und habt ihn über das Hospital ausgefragt?» Hin und her gerissen zwischen Verblüffung und Ärger, schüttelte Adelina den Kopf. Burka lächelte.
«Es ist nicht so verwunderlich, wie Ihr glaubt, dass ein Medicus sich für die Hospitäler der Stadt interessiert. Overstolz meinte, es sei nur noch eine Frage der Zeit, bis das Narrenhaus – so hat er es genannt, schaut mich nicht so an –, bis das Narrenhaus wieder an die Stadt zurückfällt. Wusstet Ihr, dass die Grande Dame Brigitta sehr krank ist?»
«Sie hat schwache Knochen und kann kaum mehr laufen», bestätigte Adelina.
«Ganz recht. Außerdem scheint sie Probleme mit dem Atmen zu haben. Eine Art Keuchhusten wohl.» Burka rieb die Fingerspitzen aneinander. «Also kann es sein, dass sie bald abdankt oder stirbt. Eine neue Grande Dame würde sich vielleicht überreden lassen, das Hospital aufzugeben.»
«Nein», Adelina schüttelte entschieden den Kopf. «Nach Brigitta wäre Irmingard die nächste Anwärterin auf diesen Posten. Und die würde noch entschlossener um das Hospital kämpfen als ihre Vorgängerin.»
«Möglicherweise.» Burkas Miene umwölkte sich. «Und das ist der Grund, weshalb ich nicht mehr ausschließen kann, dass Ihr Recht habt. Mit Irmingard als neuer Grande Dame käme der Rat vom Regen in die Traufe.» Er schwieg und senkte den Blick auf die Tischplatte. «Es sei denn …»
«Es sei denn, es gäbe einen triftigen Grund, das Hospital zu schließen», beendete Adelina den Gedankengang. «Und was wäre ein besserer Grund als eine gefährliche Krankheit?»
***
Am folgenden Morgen machten sich Adelina und der Medicus auf den Weg zum Haupthaus der Kölner Beginen am Eigelstein.
«Sie wird uns nicht empfangen», unkte Adelina. «So kurz vor Weihnachten hat sie andere Verpflichtungen.»
«Hofft, dass es nicht so ist», antwortete der Medicus leise. «Sollte unser Verdacht begründet sein, muss sie so rasch wie möglich darüber informiert werden.»
«Irmingard hat ihr wahrscheinlich schon davon erzählt.»
«Vielleicht auch nicht.» Der Medicus blieb vor dem geöffneten Eingangstor des Hofes stehen. Im Innenhof sahen sie Mägde in einem großen Zuber Wäsche einweichen. Keine schöne Arbeit bei diesem Wetter, dachte Adelina. Eine große hagere Frau mit eisgrauem Haar kam aus dem gemauerten Zimmerchen neben der Pforte, begrüßte sie und fragte sie nach ihren Namen.
«Wir wollen zur Grande Dame», erklärte Burka knapp, nachdem er sich und Adelina vorgestellt hatte. «Ist sie da?»
Die Pförtnerin musterte wohlwollend die Gestalt im vornehmen Gelehrtenmantel.
«Ich werde nachfragen, ob sie Zeit hat.» Sie raffte ihren dunklen Rock, um ihn vor dem Matsch im Innenhof zu schützen, und tippelte auf das Haupthaus zu.
Sie mussten lange warten. Ein böiger Wind fegte durch den Hof und wirbelte ihnen ein paar vereinzelte Regentropfen ins Gesicht. Adelina bewegte ihre Zehen in den teuren neuen Schuhen. Ihr war kalt.
Als die Pförtnerin endlich mit der Nachricht kam, dass die Grande Dame bitten lasse, musste
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