Tod im Beginenhaus
Raum um und schob verzagt die Finger in die Ärmel ihres Kleides. Da sie keinen Mantel und nur die dünnen Lederschuhe trug, begann sie bald zu zittern. Zudem gab es in ihrem Gefängnis keinerlei Sitzgelegenheit, sodass sie sich schließlich gegen einen der Stoffballen lehnte. Tausend Gedanken huschten wie Gespenster durch ihr Hirn. Was konnte Reese nur veranlasst haben, sie entführen zu lassen? Und das auch noch unter dem Vorwand, sie sei zu einer Befragung in den Stadtrat befohlen worden! Vielleicht dachte er, sie verdächtige ihn noch immer, etwas mit dem Tod seiner Frau zu tun zu haben. Sie atmete tief ein. Das musste es sein! Hatte er nicht an Reinhilds Grab gedroht, es werde Adelina schlecht bekommen, wenn sie sich weiter in seine Angelegenheiten mischte? Andererseits hatte sie das ja gar nicht getan.
Und dennoch schien er sich bedroht zu fühlen. Aber warum nur?
Die Zeit verging lähmend langsam. Adelinas Füße begannen auf dem eisigen Steinboden gefühllos zuwerden. Eine Weile versuchte sie, sich durch Bewegung warm zu halten, doch am Ende lehnte sie sich wieder an den Ballen und rieb sich bibbernd die Arme. Wollte er sie hier unten erfrieren lassen? Er konnte sie doch nicht ewig festhalten. Ihr Vater würde Alarm schlagen, sobald Reeses Männer ihn und Burka freiließen. Wenn sie sie freiließen.
Adelina presste die Lippen zusammen. Sie wandte sich um und starrte zu dem Fensterchen hinauf. Natürlich war es viel zu klein, um hindurchzukriechen. Und selbst wenn sie es fertig gebracht hätte, es befand sich zu hoch oben. Aber vielleicht gelang es ihr, hindurchzusehen und um Hilfe zu rufen. Mit klammen Fingern fasste sie an die gemauerte Fensteröffnung und versuchte, sich hochzuziehen. Weshalb war dieser Kellerraum nur so verdammt hoch? Ihre Finger begannen zu schmerzen, also ließ sie wieder los und betrachtete den Stoffballen neben sich. Vielleicht war es möglich hinaufzuklettern.
Sie zog an dem Ballen, doch er bewegte sich kein Stück. Also versuchte sie es mit Schieben. Das ging besser. Ächzend schob und zerrte sie an dem Ballen herum, bis er unter dem Fenster lag. Dann kletterte sie hinauf und konnte so endlich aus dem Fenster sehen. Der Mut verließ sie jedoch schlagartig: Das Fenster ging auf den Hinterhof des Hauses. Weit und breit war keine Menschenseele zu sehen. Enttäuscht sank sie auf ihrem Aussichtssitz zusammen.
Eine geraume Weile hockte sie da und starrte vor sich hin, als ein Scharren von draußen zu ihr hereindrang. Rasch richtete sie sich wieder auf und spähte nach draußen. Unmittelbar neben dem Kellerfensterchen erblickte sie zwei kleine Füße in Holzpantinen,die unter einem rostbraunen Rock hervorlugten. Es war Franziska.
«Franziska!» Adelina bemühte sich, den freudigen Ausruf zu dämpfen, damit niemand sonst auf sie aufmerksam wurde. Das Mädchen sah sich erschrocken nach links und rechts um. «Hier unten», flüsterte Adelina aufgeregt. Franziska ging in die Hocke und lächelte.
«Wusste ich doch, dass sie Euch hier irgendwo hingebracht haben», wisperte sie zurück. «Ich habe gesehen, wie diese Kerle Euch mitgenommen haben, und da bin ich Euch gefolgt.» Sie sah sich vorsichtig um, doch noch immer war niemand zu sehen. «Das war gar nicht so einfach», fuhr sie eilig fort. «Ich musste Vitus zu Eurem Vater und dem Herrn Magister in die Apotheke schicken.» Adelina riss erschrocken die Augen auf, doch Franziska hob beschwichtigend die Hände. «Keine Angst, ich glaube nicht, dass sie ihm was tun.»
«Ich habe gehört, wie sie Neklas geschlagen haben», widersprach Adelina heftig. Franziska schüttelte jedoch den Kopf.
«Haben sie nicht. Er wollte sich losreißen, dabei ist er gegen das Regal geknallt.»
«Hat er sich verletzt?»
Franziska zuckte mit den Schultern.
«Kann ich nicht sagen. Ich musste doch hinter Euch her. Und die Männer durften mich nicht entdecken.» Sie kroch noch ein Stückchen näher an die Fensteröffnung heran. «Aber nun sagt mir, wie kann ich Euch hier heraushelfen?»
Adelina schüttelte den Kopf.
«Ich glaube nicht, dass du mir helfen kannst. Ich muss wohl oder übel warten, bis Reese mich aus diesem Kellerloch herausholt.»
«Aber wenn er Euch was antut?» Franziska schien sich auf keinen Fall damit abfinden zu wollen.
«Hoffen wir, dass er das nicht tut. Irgendwie bin ich ihm in die Quere gekommen, deshalb will er mir wohl Angst einjagen.» Wenn sie doch nur ihren eigenen Worten Glauben schenken könnte!
«Womit seid Ihr ihm in die
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