Tod im Botanischen Garten - Frank Beauforts dritter Fall
Sie damals schon den Plan für Ihren Betrug in der Sesselfelsgrotte gefasst?«
»Wie sollte das denn gehen? Da wusste ich ja noch gar nicht, dass ich an die Universität Erlangen-Nürnberg berufen werde.«
Eine heftige Windböe fegte durchs Fenster und wirbelte Staub und trockene Blätter herein.
»Warum haben Sie diese Gegenstände dann gestohlen?«
»Ich habe sie nicht gestohlen, ich habe sie befreit. Begreifen Sie das nicht? Ich habe mich nie als Dieb betrachtet. Diese Fundstätten in der Dordogne sind so immens groß und ertragreich, die Kollegen dort wissen das einzelne kleine Stück überhaupt nicht mehr zu schätzen. Die waren ja noch nicht mal in der Lage, alle meine Mitnahmen festzustellen. Da sieht man doch gleich, wie nachlässig die damit umgingen. Ich wollte meine Fundstücke davor bewahren, unbeachtet zu bleiben. Ich habe ihren Wert erkannt und sie an mich genommen, um ihnen die nötige Anerkennung zukommen zu lassen.«
Das klang für Beaufort ganz nach einer pathologisch gewordenen Sammelleidenschaft. Der Leiter der Sternwarte würde ganz gewiss ähnliche Argumente ins Feld führen, um seineBücherdiebstähle zu rechtfertigen. Der hatte wahrscheinlich anfangs auch nur genommen, um die einzig umfassende astronomische Kunstsammlung aufzubauen. Die Herren Gäbelein und Corrodi schienen beide vom Sammelwahn infiziert. Es wäre sicherlich interessant, die zwei bei Gelegenheit zu einem Gespräch zusammenzubringen. Vielleicht ließe sich das im Gefängnis ja sogar arrangieren.
»Und warum haben Sie die Babyknochen des Neandertalers in der Sesselfelsgrotte vergraben?«
»Als ich aus Frankreich zurückkam, arbeitete ich in Aachen erst mal als Privatdozent. Ich veröffentlichte Fachaufsätze und bewarb mich weiter auf jede vakante Professorenstelle. So viele sind es ja nicht in meinem Fachgebiet. Hier an der Friedrich-Alexander-Universität hat es dann nach zwei Jahren endlich geklappt. Ich hatte schon befürchtet, es wird nichts mehr. Sie können sich in unserem akademischen System in Deutschland wirklich in die Sackgasse manövrieren, obwohl Sie alles richtig machen. Wenn Sie keine Professur erhalten und Ihre Assistentenstelle nicht mehr verlängert werden darf, dann stehen Sie plötzlich mit Anfang vierzig auf der Straße. Dann sind Sie auch für die meisten Jobs in der freien Wirtschaft überqualifiziert, sodass Sie noch froh sein können, wenn man Sie als Taxifahrer nimmt. Eine echte Horrorvorstellung.«
»Na, na! Jetzt kommen Sie mal zum Thema zurück«, meldete sich Carl zu Wort, der die ganze Zeit über geschwiegen hatte. Als würde Zeus nebenan in der Antikensammlung seine Worte unterstützen, flammte ein Blitz auf, und unmittelbar darauf donnerte es heftig.
»Ich erhielt also den Lehrstuhl des legendären Professor Müller. Eine echte Koryphäe auf unserem Gebiet, und sehr beliebt. Dem weinten seine Mitarbeiter und Studenten so manche Träne nach. Mich ließen sie von Anfang an spüren, dass sie mich weder menschlich noch fachlich für einen geeigneten Nachfolger hielten. Das war eine extrem harte Zeit. Sietreten voller Enthusiasmus eine neue Stelle an und sind plötzlich von lauter Neidern und Missgünstlingen umgeben. Ich musste mir irgendwie Respekt verschaffen und sagte mir: Du kannst niemanden überholen, wenn du in seine Fußstapfen trittst.«
»Und dann haben Sie die Babyknochen aus Laugerie-Haute in der Grotte versteckt?«
»Ja, genau. Um sie am nächsten Tag unter Jubel und Beifall wieder auszugraben. Das war ein Triumph, das kann ich Ihnen gar nicht beschreiben.«
»Aber es war Betrug.«
»Der einzige, dessen ich mich je schuldig gemacht habe. Das müssen Sie mir glauben. Ich arbeite so hart wie sonst kaum ein Professor an dieser Universität. Und ich tue alles, was in meiner Macht steht, um diesem Fach die nötige Anerkennung zu verschaffen. Aber die großen Forschungsgelder gehen in die Werkstoffwissenschaften oder die Medizintechnik. Ur- und Frühgeschichte halten die doch für ein Orchideenfach. Dabei geht es hier um die Wurzeln der Menschheit.«
Bevor sich Gäbelein weiter in Rage reden und in Rechtfertigungen ergehen konnte, musste Beaufort die Gunst der Geständniseuphorie nutzen und ihn zu den Morden befragen. »Und weil das Bekanntwerden dieses Betrugs Ihr wissenschaftliches und gesellschaftliches Aus bedeutet hätte, haben Sie Tom Schifferli umgebracht.«
Der Professor starrte Beaufort entgeistert an. »Was hat Schifferli damit zu tun? Ich dachte, Sie haben meinen
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