Tod im Botanischen Garten - Frank Beauforts dritter Fall
versuchen’s noch mal, vielleicht haben wir ja einen Zugang übersehen.«
Als sie abermals in der gegenüberliegenden Gasse angekommen waren, standen die Flügel des Eisentores auf einmaloffen. Die beiden spähten vorsichtig in den gepflasterten Innenhof hinein und sahen den roten Lieferwagen einer Gebäudereinigungsfirma vor sich, der offenbar gleich hinausfahren wollte, denn die Fahrertür war geöffnet. Jemand machte sich hinten am Auto zu schaffen. Schnell schlüpften Anne und Frank durchs Tor und suchten rechts hinter den Müllcontainern Deckung. Durch den Spalt zwischen blauem Altpapier- und schwarzem Restmüllbehälter beobachteten sie, wie ein Mann im Arbeitskittel eine Bohnermaschine auf die Ladefläche wuchtete. Dann schloss er die Hecktüren und wartete. Er blickte fortwährend zur Hintertür des Stadtmuseums, die offen stand.
»Beeil dich mal ein bisschen«, rief er hinüber.
»Wenn du mir mit den schweren Müllsäcken hilfst, geht’s schneller«, entgegnete eine weibliche Stimme von drinnen.
Der Mann ging über den Hof und verschwand im Museum.
»Jetzt«, sagte Anne, hielt den Schulterriemen ihrer großen Handtasche fest und zog Frank mit sich fort. Die beiden liefen an der Hauswand entlang. Am Hinterausgang stoppten sie kurz und linsten in den hell gefliesten Vorraum mit Treppenhaus, in dem ein großer, grauer Müllsack an der Wand lehnte. Ein paar Meter vor ihnen befand sich eine weitere halboffene Tür, die ins Gebäude hineinführte. Von dort näherten sich Schritte und Stimmen. Beaufort wollte schon den Rückzug antreten, da deutete Anne zur Treppe, die nach unten führte. Er nickte, und blitzschnell huschten sie Richtung Keller. Sie versteckten sich unter der Treppe und hielten den Atem an.
»Mensch, ist das Zeugs schwer«, schnaufte der Kittelträger über ihnen.
»Sag ich doch«, bestätigte die Stimme der Frau.
»Was ist denn da drin?«
»Der ganze Dreck von den Handwerkern. Das meiste ist Holz und Glas. Die haben noch bis vorhin die neue Ausstellung aufgebaut.«
Die Stimmen entfernten sich. Anne und Frank schlichen den Treppenabsatz hoch. Durch die Außentür sahen sie einen Ausschnitt des Lieferwagens. Bei den Müllcontainern rumpelte es, die Putzleute waren offenbar dort zugange. Schnell stahlen sich die Eindringlinge durch die andere Tür hinein ins Museum und flitzten links einen langen Flur entlang, dessen alter Dielenboden verräterisch knarrte. An seinem Ende passierten sie einen Durchgang und drückten sich gleich dahinter fest an die Wand. Sie lauschten angestrengt, doch hauptsächlich nahmen sie ihren eigenen Herzschlag wahr. Dann hörten sie, wie jemand in den Flur zurückkam und mit einem Knopfdruck sämtliche Lichter löschte. Danach wurde die Tür zum Treppenhaus zugesperrt, die Tür des Hinterausgangs fiel ins Schloss, der Motor wurde gestartet, und der Lieferwagen tuckerte davon.
Erleichtert atmete Beaufort auf und suchte Annes Hand. Sie kicherte erregt, als er sie berührte.
»Nachts allein mit dir im Museum – wie aufregend!«, flüsterte sie.
Sie drückte seine Hand ganz fest, und er erwiderte den Druck. Die beiden standen noch einen Moment ganz still an der Museumswand und sagten kein Wort. »Ganz schön schummerig hier drinnen«, raunte Anne. Die Dämmerung war hereingebrochen und tauchte den Raum ins Halbdunkel. Er war offenbar Teil der Sonderausstellung, bestand aus hohen vergitterten vollgestopften Archivregalen und sollte wohl die drangvolle Enge eines Depots darstellen. Sie gingen näher heran und erkannten, dass hier die Objekte absichtlich durcheinander angeordnet waren. Da befand sich eine Wachsmoulage neben einem ausgestopften Eichhörnchen, ein PC-Monitor neben einem Satz Blockflöten, ein Tischfernrohr neben einem Kopfjägerschwert, ein Griffelkasten neben einer Filmspule.
»Sieht aus wie eine fürstliche Wunderkammer mit modernen Mitteln«, stellte Beaufort flüsternd fest und legteseinen Arm um Annes Schulter. »Die großen Sammler früher haben auch alles für sie Kuriose, Wertvolle und Aufhebenswerte in einem einzigen Raum zusammengetan und ausgestellt, um ein Abbild dieser Welt und ihrer zahlreichen Erscheinungen zu schaffen. Aber letztendlich ist wohl bis heute jede Sammlung ein Versuch, der chaotischen Welt mit einer wie auch immer ordnenden Hand etwas entgegenzusetzen. Ich nehme mich da mit meiner Buch- und Kunstsammlung nicht aus.«
Die Journalistin legte die Stirn in Falten. »Interessante Bekenntnisse. Aber hast du vergessen, weshalb
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