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Tod im Botanischen Garten - Frank Beauforts dritter Fall

Tod im Botanischen Garten - Frank Beauforts dritter Fall

Titel: Tod im Botanischen Garten - Frank Beauforts dritter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ars vivendi verlag GmbH , Co. KG
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hinauf in den ersten Stock, bis zu dem gut und gern noch zwei Zwischengeschosse Platz gehabt hätten. Vor einer Tür am Ende eines großen, hellen Ganges blieben sie stehen. Dr. med. Dr. phil. Charlotte Neudecker stand auf demTürschild. Wirklich beeindruckend, dachte Beaufort. Die Doppeldoktorin schloss auf und bat ihn in ihr nicht minder imponierendes Büro. Es war mehr als doppelt so groß wie das von Schifferli, hatte mindestens vier Meter hohe Wände und breite Fenster zur Universitätsstraße. Möbliert war es stilvoller als das ihres Kollegen. Doch auch hier stapelten sich Papierstöße auf dem Schreibtisch, und auf einem Ecktisch fanden sich ungewöhnliche Gegenstände. Beaufort ging näher heran, um sie sich anzuschauen: eine groteske rote Maske mit gefletschten Zähnen, ein langes Blasrohr mit gezackten Verzierungen, ein gekrümmtes Schwert mit einer flachen Schneide, der Schädel eines Tieres mit langen Reißzähnen, ein lebensechter Arm aus Wachs mit entstellenden weißen Pocken darauf, das Profil eines naturalistischen Wachsgesichtes mit kleinen roten Pusteln.
    »Das sind alles Exponate für unsere Ausstellung. Gefallen sie Ihnen?«
    »Sagen wir mal so: In meinem Wohnzimmer würde ich mir das nicht gerade aufhängen«, scherzte er.
    »Dazu sind diese Dinge ja auch gar nicht gedacht. Die Dämonenmaske, das Blasrohr und das Kopfjägerschwert stammen von einer Expedition aus dem Jahr 1892 nach Borneo. Die sind aus unserer völkerkundlichen Sammlung, die wir der Münchener Universität als Dauerleihgabe überlassen haben, weil es hier schon lange keinen Ethnologie-Lehrstuhl mehr gibt.«
    »Dieser Tierschädel da, ist der auch aus Borneo?«
    »Nein, aus der Fränkischen Schweiz. In der letzten Eiszeit gehörte er einem Höhlenbären. Ein Prachtstück aus unserer Paläontologischen Sammlung.«
    »Und diese grässlichen Wachsdinger?«
    »Sind Moulagen aus einer Lehrsammlung. Das hat man noch bis in die Sechzigerjahre hinein als Anschauungsmaterial in der Hautklinik benutzt. An diesem Arm hier habenMedizinstudenten gelernt, wie Blattern aussehen. Und das Gesicht zeigt Syphilis im Spätstadium. Krankheiten, die man heute kaum mehr zu sehen bekommt.«
    »Weil sie Gott sei Dank ausgestorben sind.« Beaufort schüttelte sich.
    »Darauf würde ich mich nicht verlassen. Wenn die Menschheit es erst geschafft hat, Bakterien resistent gegen Antibiotika zu machen, kehren die alle wieder. Und wir sind auf dem besten Wege dahin, wenn man bedenkt, dass Antibiotika in der industriellen Tierhaltung massenhaft eingesetzt werden.«
    »Sie verstehen es wirklich, einem die Zukunft schmackhaft zu machen.«
    »Fürs rosige Ausmalen ist die Wissenschaft nicht zuständig. Wir liefern nur die Fakten und wagen dann Prognosen. Tee?«
    Doppeldoktor Neudecker hängte zwei Beutel in heißes Wasser, und kurz darauf schlürfte Beaufort etwas Warmes mit undefinierbarem Geschmack, dem er selbst niemals die Bezeichnung Tee gegeben hätte. Währenddessen klärte sie ihn über ihre Zusammenarbeit mit Schifferli auf. Die beiden Kuratoren hatten die Sammlungen untereinander aufgeteilt und selbstständig betreut. Als Medizinerin war sie für alle Sammlungen aus diesem Bereich zuständig, also Anatomie, Pathologie, Medizintechnik, Moulagen und Pharmakognosie. Außerdem für Schulgeschichte, Musikinstrumente, Paläontologie, Völkerkunde und das Universitätsarchiv. Tom Schifferli hatte sich als Historiker um die Ur- und Frühgeschichte und die Antike, die Universitätsbibliothek und die Astronomie, aber auch die botanischen und die zoologischen Sammlungen, die Geologie und die Informatik gekümmert. Frau Neudecker druckte Beaufort eine Liste aller Universitätssammlungen mit Adressen und Ansprechpartnern aus. Zudem ließ er sich eine Aufstellung sämtlicher Exponate geben, die in der Ausstellung im Stadtmuseum gezeigt werden sollten.
    »Und in all diesen Fachgebieten kennen Sie sich aus?«, fragte Beaufort ungläubig.
    »In einigen mehr, in anderen weniger. Man fuchst sich im Laufe der Zeit auch in Themen hinein, mit denen man vorher überhaupt nichts anfangen konnte. Ich hätte zum Beispiel nie gedacht, dass mich solche Masken irgendwie wissenschaftlich interessieren könnten. Und Tom ist richtig zu einem Kenner exotischer Pflanzen geworden. Der war fast Dauergast im Botanischen Garten.«
    Ihr Redeschwall stockte, als unmittelbar in der Nähe eine leise Alphornmelodie erklang. Frau Neudecker sah Beaufort fragend an, doch der schaute gleichgültig

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