Tod im Botanischen Garten - Frank Beauforts dritter Fall
sich die Doktorarbeit gegen Geld von einem Ghostwriter schreiben ließen oder sich den Titel an einer ausländischen Universität einfach kauften. Diese wenigen schwarzen Schafe beschädigten den guten Ruf der gesamten Wissenschaft jedenfalls erheblich. Selbst Beaufort hatte sich schon flapsige Sprüche zu seinem Doktortitel anhören müssen.
Er brauchte jetzt dringend ein Stück Schokolade. Beim Kramen in seiner Schreibtischschublade, in der er immer einen kleinen Vorrat an Süßigkeiten für alle Fälle bereithielt, fiel sein Blick auf Tom Schifferlis iPhone. Dessen Existenz hatte er erfolgreich verdrängt. Nur konnte er jetzt kaum noch zur Erlanger Polizei gehen, um es dort abzugeben. Schnappauf würde ihn in der Luft zerreißen. Er nahm das flache, glänzend schwarze Designobjekt in die Hand. Wie Telefone sahen die Dinger gar nicht mehr aus. Es waren ja auch längst keine bloßen Handys mehr, sondern richtige kleine Computer, mit denen man Musik hören, im Internet surfen, Fotosknipsen oder Filme drehen konnte. Was, wenn da noch mehr Interessantes drauf war als nur Schifferlis Adressbuch? Vielleicht hatte er im Universitätsarchiv heimlich Fotos von den Dokumenten geschossen? Oder belastende Dateien gespeichert? Oder gar seinen Mörder gefilmt? Womöglich war dies der Gegenstand, nach dem der Täter immer noch auf der Suche war? Bloß, wie sollte er als Smartphone-Depp an diese Informationen herankommen?
Beaufort öffnete eine andere Schublade seines Schreibtisches, zog eine Visitenkarte heraus und bestellte ein Taxi.
*
»Und wo soll’s heute hingehen? Wieder nach Erlangen?« Carl Löblein hielt Frank Beaufort die Tür auf, wartete, bis sein Gast Platz genommen hatte, schloss sie wieder, ging hinten um den Wagen herum und stieg selbst ins Taxi ein.
»Ich hatte Ihnen ja schon am Telefon angedeutet, dass ich mal wieder technische Hilfe brauche. Und Ihre Diskretion. Deshalb fahren wir zuerst in den Stadtpark.«
Da die Erlanger Polizei spätestens seit den Einbrüchen in Schifferlis Wohnung und Büro ziemlich sicher nach dem Mobiltelefon des Kurators suchte, wollte er es wegen der Ortungsmöglichkeit auf keinen Fall in seiner Wohnung einschalten. Deshalb hatte er sich für einen öffentlichen Platz entschieden, an dem man sich unerkannt aufhalten und trotzdem ungestört miteinander reden konnte.
Während der Fahrt weihte Beaufort seinen Fahrer in das Nötigste ein. Auch, dass er das Handy nur kurz anmachen könne. Sollten sich wichtige Dokumente darin finden, bitte er ihn, die Dateien auf seinen mitgebrachten Laptop zu kopieren, sofern das technisch durchführbar sei.
»Also rein theoretisch wäre das praktisch schon möglich«, antwortete Carl in fränkischer Vorliebe für die Benutzungvon Gegensatzpaaren und machte einen kurzen Abstecher in ein Computergeschäft, um ein geeignetes Überspielkabel zu besorgen.
Am Stadtpark angekommen, wählten sie eine ruhig gelegene Bank im Schatten der Bäume unweit des Neptunbrunnens, in der Hoffnung, dort ab und zu eine kühlende Brise zu erhaschen. Der Garten war an diesem heißen Vormittag wenig frequentiert. Nur ein paar spielende Kleinkinder, die von ihren Müttern ermahnt wurden, nicht so nah ans Wasser zu gehen, und ab und zu ein Rentner mit Rollator. Beaufort fuhr seinen Computer hoch. Dann nahm Löblein das iPhone in Empfang, schaltete es ein, loggte sich mit der 1810 ins System ein und wischte in einer atemberaubenden Geschwindigkeit mit seinen Fingern auf dem Display herum. Im Nu hatte er den Bilderordner geöffnet.
»Hier sind ein Haufen Fotos, die am 7. Juli abgespeichert wurden. Lauter abfotografierte Dokumente. Suchen Sie danach?« Er hielt ihm den Bildschirm hin.
»Könnte sein. Aber das ist viel zu klein. Das kann ich so nicht entziffern.«
Löblein spreizte Daumen und Zeigefinger auf dem Display, und schon vergrößerte sich das Foto und zeigte einen Ausschnitt, in dem Beaufort den Namen Mareike van der Veldt lesen konnte.
»Das sind die Fotos«, sagte er aufgeregt.
Der Taxifahrer schloss das iPhone via Kabel an den Laptop an, kopierte die Bilder hinüber und machte Schifferlis Handy gleich wieder komplett aus. Neugierig betrachtete Beaufort die Fotos auf seinem großen Bildschirm. Es waren die Promotions- oder Habilitationsakten sämtlicher Sammlungsleiter, auch jener, für die Charlotte Neudecker zuständig war, sowie die vom Kanzler und Präsidenten der Universität. Er begann, sämtliche Dokumente zu überfliegen, allerdings fiel ihm nichts
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