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Tod im Dom

Tod im Dom

Titel: Tod im Dom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziegler
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ließ mich auf die lachsrosa Schlafcouch fallen. Erst jetzt spürte ich, wie erschöpft ich war; dabei hatte meine Flucht gerade erst begonnen! Anja holte eine Flasche Weinbrand der Marke Goldkrone und zwei Gläser aus dem Einbauschrank über der Spüle und schenkte ein.
    »Ich hab’ noch mehr davon«, sagte sie. »Umsonst bekommen. Eine Freundin von mir arbeitet im HO-Laden, und die werden ihn nicht los. Bei uns trinkt den keiner mehr; bei uns wird jetzt nur noch Westschnaps getrunken.«
    Ich kostete. »Nicht schlecht. Sogar gut, wenn man bedenkt, daß er umsonst ist.«
    Anja setzte sich dicht neben mich und rieb ihren Schenkel an meinem Bein. Ich rückte ein Stück von ihr ab, kippte den Weinbrand hinunter und fühlte mich gleich besser. Das gefiel mir, und ich schenkte großzügig nach.
    »Also?« sagte Anja und rückte wieder an mich heran. »Was willst du jetzt tun? Dich betrinken? Das bringt uns bei der Suche nach dem Mörder auch nicht weiter.«
    »Wir brauchen einen Plan, und Planen macht durstig.« Ich leerte das Glas und hielt ihr den Schließfachschlüssel vor die Nase. »Ich hab’ den Schlüssel dem Mörder geklaut, als er mich angerempelt hat. Ich schlage vor, wir warten ein paar Stunden, fahren dann zum Bahnhof und räumen das Schließfach aus. Mit ein wenig Glück finden wir etwas, das uns weiterhilft.«
    »Warum warten? In ein paar Stunden kann der Mörder über alle Berge sein. Dann erwischen wir ihn nie. Und was wird dann aus uns?«
    »Jetzt ist es zu riskant. Rund um den Dom wimmelt es von Polizei. Bei meinem Glück werden sie mich todsicher hopsnehmen, wenn ich jetzt zum Bahnhof fahre.«
    »Ich könnte allein fahren. Mich kennt keiner. Ich könnte das Schließfach ausräumen und…«
    »Viel zu gefährlich«, unterbrach ich sie. »Was ist, wenn der Kerl im Bahnhof lauert und sieht, wie du in seinem Schließfach wühlst? Dann helfen dir auch deine schönen blauen Augen nicht mehr. Der sticht dich doch glatt ab!«
    Anja schob ihre Brille hoch und blinzelte mich kurzsichtig an. »Findest du wirklich, daß ich schöne Augen habe?«
    »Das war nur so eine Redensart«, sagte ich gereizt. »Vergiß es. Im Moment interessiert mich viel mehr, warum der Kerl diesen Mann im Dom abgemurkst hat.«
    »Vielleicht steckt eine Frau dahinter«, vermutete sie. »Vielleicht ist der Mörder verheiratet, und der Tote ist der Liebhaber seiner Frau. Vielleicht wollte er sich heimlich mit seiner Geliebten in Rom treffen, wurde vom Ehemann erwischt und erstochen. Ein Eifersuchtsdrama. Und dann noch in meiner Lieblingskathedrale!« Sie schauderte ergriffen. »Wie romantisch!«
    »Sag das der Leiche im Dom«, schlug ich vor. »Die ist vor lauter Romantik schon im siebten Himmel.«
    »Oder es war Raubmord«, spekulierte Anja unbeirrt weiter. »Irgendein Drogensüchtiger, der dringend einen neuen Schuß brauchte. Bei euch im Westen passiert so was doch jeden Tag. Jeder klaut, was er kann. Das müßtest du doch am besten wissen.«
    »Der Tote trug eine Armbanduhr, die mindestens zehn Mille wert war. Also, wenn ich ein drogensüchtiger Raubmörder wäre, ich hätte die Uhr mitgenommen.«
    Anja verschluckte sich an ihrem Weinbrand. »Eine Armbanduhr für zehntausend Mark?« fragte sie hustend und mit großen Augen. »Du liebe Güte, wer kann sich denn so was leisten?«
    »Jeder Geldsack, der sonst schon alles hat. He, wir sind hier im goldenen Westen. Hier gibt’s Leute, die haben mehr Geld, als wir beide überhaupt zählen können. Die kaufen sich allein von ihren Zinsen jeden Tag ein Dutzend solcher Uhren.«
    »Aber warum? Was fangen die mit so vielen Uhren an?«
    »Was weiß denn ich? Ist doch auch völlig egal. Jedenfalls glaube ich nicht an Raubmord. Und an ein Eifersuchtsdrama schon gar nicht.«
    »An was glaubst du dann?«
    »Keine Ahnung. Terroristen vielleicht. Die Mafia. Irgend etwas Großes. Irgend etwas, das mir garantiert das Genick brechen wird.« Ich goß mir einen neuen Weinbrand ein und nickte düster. »Ich sehe es schon kommen. Statt meine Unschuld zu beweisen, werde ich von Terroristen umgelegt. Und wenn mich die Terroristen nicht erwischen, erwischt mich garantiert die Mafia.«
    Anja legte mir tröstend die Hand auf die Schulter. »Bestimmt gibt es für alles eine ganz harmlose Erklärung. Bestimmt war es wirklich nur ein Eifersuchtsdrama, und der Mörder hat längst Gewissensbisse bekommen und stellt sich freiwillig der Polizei. Vielleicht schon heute!«
    »Klar, und im Schließfach im Hauptbahnhof liegt

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