Tod im Dom
seine untreue Frau«, höhnte ich. »In Stücke gehackt und in Frischhaltetüten verpackt. An so was glaubst aber auch nur du. Außerdem würde mir das nicht helfen. Schließlich werde ich nicht nur wegen Mordes, sondern auch wegen Taschendiebstahls gesucht. Der Knast ist mir auf jeden Fall sicher.«
»Wegen ein paar geklauten Brieftaschen wirst du nicht gleich lebenslänglich bekommen«, meinte Anja leichthin. »Dann sitzt du eben ein oder zwei Jahre ab und wirst endlich ein anständiger Mensch. Ich werde auf dich warten, und wenn du wieder draußen bist…«
»Nichts da«, sagte ich scharf. »Ich gehe nicht in den Knast. Ich bin dafür viel zu sensibel. Außerdem gibt mir der Mord die Chance, zu beweisen, daß ich gesetzestreuer bin als jeder andere. Wenn ich den Mörder finde und ihn der Polizei präsentiere… welcher Richter wird mich dann noch verknacken wollen? Dann bin ich ein Held!«
Ich äugte philosophisch in mein Weinbrandglas.
»So gesehen hat diese schreckliche Verwechslung auch ihre guten Seiten. Ohne die Leiche im Dom hätte es mit mir garantiert kein gutes Ende genommen.«
»Und was ist, wenn wir den Mörder nicht finden?«
»Dann gehe ich ins Exil«, sagte ich entschlossen. »Nach Ibiza!« Ich warf einen Blick auf die Wanduhr und wühlte in den Taschen meines abgelegten Trenchcoats nach den beiden Zwanzigmarkscheinen, die ich den amerikanischen Touristen geklaut hatte. »Genug geredet. Jetzt müssen Taten folgen. Hier ist Geld. Du gehst in die nächste Drogerie und kaufst mir ein Haarfärbemittel. Schwarz. Je schwärzer, desto besser.«
Anja verrutschte vor Schreck die monströse Hornbrille. »Du willst deine wunderschönen blonden Haare schwarz färben? Aber warum?«
»Weil die Umstände es so wollen. Spätestens übermorgen hängt überall mein Fahndungsfoto. Ich muß meinen Typ verändern, oder meine Suche nach dem Mörder scheitert schon im Anfangsstadium.« Ich dachte nach; als ich vor zwei Jahren nach dem Griff in die Taschen dieses unseligen Kripobeamten erkennungsdienstlich behandelt worden war, hatte ich die Haare länger getragen, Ohren und Augen bedeckt und nur die Schultern frei. »Schneiden müssen wir sie auch. Am besten streichholzkurz. Kannst du das?«
»Können tu ich’s schon, aber gern tu ich’s nicht.« Sie stand seufzend auf und schlüpfte in ihre schreckliche bananengelbe Öljacke. »Sonst noch etwas? Vielleicht eine Sonnenbrille, um deinen Typ zu verändern?«
»Eine Sonnenbrille im Dezember? So was tragen nur Leute, die nicht erkannt werden wollen.«
»Aber nicht mit Blindenstock. Das ist es!« sagte Anja begeistert. »Als Blinder könntest du alles beobachten, ohne daß jemand was merkt! Und wer hält einen Blinden schon für einen gesuchten Mörder?«
Ich legte mich auf die Couch und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. »Mach was du willst. Hauptsache, du vergißt nicht das Haarfärbemittel.«
Anja ging zur Tür. Erst jetzt fiel mir auf, daß sie trotz ihrer pummeligen Figur einen leichten, irgendwie aristokratisch wirkenden Gang hatte. Und ihr Hinterteil war tatsächlich göttlich. Ich sah ihr nach, bis mir klar wurde, was ich da machte, und wandte mich seufzend der Flasche Goldkrone zu.
An der Tür blieb Anja noch einmal stehen.
»Du bist doch noch da, wenn ich wiederkomme, oder?« fragte sie mit einer dünnen Stimme, die gar nicht zu ihrem Babyspeck paßte. »Ich meine, du schickst mich doch nicht nur deshalb fort, um dich unauffällig zu verdrücken, nicht wahr?«
»Keine Bange«, sagte ich beruhigend. »Ich bleibe dir noch eine ganze Weile erhalten. Aber das heißt natürlich nicht, daß zwischen uns beiden was laufen wird. Kapiert?«
»Sicher, Harry«, sie nickte. »Wie du meinst, Harry.«
Sie zog die Tür zu. Ich war allein. Endlich.
Ich döste eine Weile und kämpfte erfolgreich gegen das Verlangen an, die Weinbrandflasche zu leeren. Für das, was ich vorhatte, brauchte ich einen klaren Kopf.
Das Schließfach.
Was war in diesem gottverdammten Schließfach? Hoffentlich etwas Wichtiges. Aber wenn es etwas Wichtiges war, dann würde uns der Mörder den Inhalt nicht freiwillig überlassen. Die Frage war nur, ob er ahnte, daß ich ihm den Schlüssel geklaut hatte. Wenn ja, dann lauerte er garantiert im Bahnhof auf uns. Und einen Menschen hatte er bereits umgebracht; auf einen oder zwei mehr würde es ihm nun auch nicht mehr ankommen.
Andererseits – etwas Besseres konnte mir gar nicht passieren.
Mit etwas Glück und Tücke konnte ich ihn
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