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Tod im Dünengras

Tod im Dünengras

Titel: Tod im Dünengras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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nachgelaufen?«
    Â»Ich bin zu einem Fenster gegangen. Von dort kann man den Eingang
überblicken. Er überquerte den Parkplatz, als wäre er zu Fuß gekommen. Aber
dann sah ich, dass am Straßenrand ein Wagen wartete. Der Motor wurde gestartet,
kurz bevor er den Wagen erreichte.«
    Â»Er war also nicht allein.«
    Â»Nein, im Wagen hat jemand auf ihn gewartet.«
    Erik schreckte aus seinen Gedanken auf, als Sören nach
seinem Arm griff. »Wir können hier nicht einfach reinlaufen. Wir müssen uns
anmelden.«
    Er drückte auf einen Klingelknopf, kurz darauf öffnete sich die Tür
der Intensivstation leise knarrend. Mit dem gleichen Geräusch schloss sie sich
wieder hinter ihnen. Stille empfing sie. Eine Stille, die aus dem Surren,
Klopfen, Saugen und Atmen von Maschinen bestand. Hinter einer der Türen war die
Stimme einer Krankenschwester zu hören, eine andere antwortete mit einem hellen
Lachen. Bevor sie sich entschlossen hatten, an eine der Türen zu klopfen,
öffnete sich die erste, und ein Arzt trat auf den Gang. »Die Herren von der
Polizei?«
    Erik nickte. »Wie geht es Herrn Jesse?«
    Der Arzt warf einen langen Blick durch eins der großen Fenster,
hinter denen Menschen lagen, die durch Maschinen und Geräte am Leben erhalten
wurden, ehe er antwortete: »Er ist vor ein paar Minuten gestorben. Nur drei Stunden,
nachdem er aus dem Koma erwacht war.«
    Mamma Carlotta radelte über die Westerlandstraße. Der Wind
fuhr ihr entgegen, ein frischer Wind mit eiskalten Spitzen. Aber sie hielt ihm
lachend das Gesicht hin. So unheimlich ihr der Wind bei ihrem ersten Besuch auf
Sylt gewesen war, so herrlich fand sie es jetzt, sich von ihm treiben zu
lassen. Und genauso schön war es, sich ihm entgegenzustemmen und die eigene
Kraft mit seiner zu messen. Je öfter sie an die lähmende Hitze dachte, die auch
jetzt noch über ihrem Dorf in Umbrien stand, desto mehr genoss sie den kalten
Wind und die klare Luft.
    Lucia hatte früher oft darüber gesprochen, aber ihre Mutter hatte
sich nicht vorstellen können, dass ein Mensch, der glühende Tage, laue Nächte
und die Lautlosigkeit der Hitze gewöhnt war, es sich bei Kälte, rauem Wind und
tosender Brandung wohl sein lassen konnte. Jetzt verstand sie es bei jedem
ihrer Besuche besser. Lucia hatte diese Insel liebengelernt, weil sie ihre
Heimat geworden war.
    Die Bebauung von Wenningstedt endete, der Radweg führte nun zwischen
der Straße und einem weiten Heidefeld hindurch, das bis zu den Dünen reichte.
Kurz hinter dem Norderplatz machte sie wie immer halt an dem Geschäft, das die
wunderbaren Strandkörbe anbot, an denen sie sich nicht sattsehen konnte, dann
folgte sie der Norderstraße weiter bis zum Rathaus.
    Es war kurz vor neun. In der Strandstraße rüstete man sich für den
kommenden Tag. Manche Türen öffneten sich bereits, und Ständer mit
Sonderangeboten wurden auf die Straße gestellt, in anderen beschäftigte sich
der Ladenbesitzer noch hinter geschlossener Tür mit der Kasse, damit sie bei
Geschäftsbeginn einsatzbereit war. Mamma Carlotta schob ihr Fahrrad durch die
Straße, obwohl es kaum Passanten gab, die sie hätte stören können. Nur ein paar
Verkäuferinnen hasteten ihrer Tätigkeit entgegen, einige verschlafene
Zeitungskäufer traten aus dem Laden neben dem Hotel Stadt Hamburg. Wer in einer
Ferienwohnung Urlaub machte, lief mit einer Brötchentüte über die Strandstraße
oder direkt aufs Café Wien zu, um dort zu frühstücken.
    Hinter dem Café wechselte sie zur Friedrichstraße, überquerte sie
und schwang sich wieder auf den Sattel. Die Bismarckstraße führte geradewegs
auf die Käpt’n-Christiansen-Straße, wo die Muschel I lag. In das Restaurant integriert war die Perlenmuschel, der
Geschenkartikelladen von Utta Ingwersen. Sie hatte ihr am Vorabend alles genau
erklärt.
    Das Stammhaus der Ingwersens glich der Muschel II in Keitum aufs Haar. Auch die Muschel I war weiß getüncht, hatte dunkle
Fensterrahmen, und die Butzenscheiben bestanden aus getöntem Glas, genau wie
die Eingangstür. Die Perlenmuschel war Teil des Gebäudes, setzte sich aber
deutlich ab durch ein niedrigeres Dach, große Schaufenster und eine eigene
Eingangstür.
    Es war fünf nach neun, als Mamma Carlotta ihr Fahrrad abstellte.
Hinter den Schaufenstern brannte kein Licht, im Laden rührte sich

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