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Tod im Dünengras

Tod im Dünengras

Titel: Tod im Dünengras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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nichts. Sie
kontrollierte die Öffnungszeiten, die auf einem kleinen Schild neben der Tür
vermerkt waren. »Montag bis Freitag neun bis achtzehn Uhr! Na also!«
    Mamma Carlotta betrachtete die Auslagen und wartete. Hübsche
Accessoires führte Utta Ingwersen in ihrem Laden, ausgefallenen Modeschmuck,
Porzellan, Stoffe, Kuscheltiere, Blumenvasen … ein buntes Durcheinander. Als Mamma Carlotta
sich sattgesehen und schon das eine oder andere für Sandra ins Auge gefasst
hatte, war es zehn nach neun. Noch immer war es dunkel im Laden, nach wie vor
rührte sich nichts.
    Mamma Carlotta trat von einem Bein aufs andere. Was sollte sie tun?
Unverrichteter Dinge nach Hause fahren? Nein, das kam nicht infrage! Eine
Ladeninhaberin hatte pünktlich ihr Geschäft zu öffnen! Das war ja noch schöner!
In Deutschland nahm man es mit der Pünktlichkeit sehr genau, also konnte man
auch erwarten, dass ein Geschäft rechtzeitig geöffnet wurde. In ihrem Dorf war
das was anderes. Signora Tamigi öffnete ihren Wäscheladen immer erst, wenn sie
den Abwasch erledigt hatte, keine Minute früher. Gab es viel abzuwaschen,
mussten die Kunden eben ein wenig warten. Und wenn sie Liebeskummer hatte, dann
blieb der Laden sogar tagelang geschlossen. Aber das war nicht weiter schlimm,
denn jeder wusste ja, dass Signora Tamigi hinter ihrem Laden wohnte. Dann
klopfte man an ihre Tür, betrat durch den Hintereingang das Geschäft und suchte
sich aus, was man brauchte. So etwas wäre bei einer Frau wie Utta Ingwersen
undenkbar gewesen.
    Als sich nach fünf weiteren Minuten noch immer nichts tat, griff
Mamma Carlotta nach der Klinke. Sie war sicher, die Tür verschlossen
vorzufinden, doch zu ihrem Erstaunen ließ die Klinke sich bewegen, und die Tür
schwang auf. »Hallo?«
    Niemand antwortete ihr.
    Â»Ist jemand da?«, versuchte sie es noch einmal, doch wieder kam
keine Antwort. Dunkel und kühl lag der Verkaufsraum vor ihr, die elektronische
Kasse sah sie mit finsterem Display an.
    Mamma Carlotta trat ein, ließ die Tür aber geöffnet. Sie wollte
nicht mit der Stille in dem Laden allein sein, wollte sich nicht in dem
Dämmerlicht einschließen und vor allem nichts Verbotenes machen. Solange die
Tür geöffnet blieb, war sie nicht unerlaubt hier eingedrungen, sondern hatte
den Laden lediglich aufgeweckt. Schritt für Schritt wagte sie sich voran, und
die Stille, die sie umfing, wurde ihr immer unheimlicher.
    Sören hatte schon eine Tafel Trauben-Nuss-Schokolade hervorgeholt,
aber noch weigerte sich Erik, zuzugreifen. Er wollte nicht vor diesem Fall und
seinen Dimensionen kapitulieren. So jedenfalls wäre es ihm vorgekommen, wenn
seine Reaktion auf Henner Jesses Tod der unverzügliche Anruf bei der
Staatsanwältin gewesen wäre. »Was hat sich verändert durch Jesses Tod?«, fragte
er verzweifelt.
    Â»Wir haben es nicht mehr mit Körperverletzung zu tun«, antwortete
Sören, »sondern mit fahrlässiger Tötung oder Körperverletzung mit Todesfolge,
womöglich sogar mit Totschlag oder Mord.«
    Â»Hängt davon ab, ob Henner Jesse in einem Handgemenge was abbekommen
hat oder ob er gezielt zusammengeschlagen wurde. Ob sein Tod billigend in Kauf
genommen wurde oder ob man ihn sogar töten wollte.«
    Â»Damit niemand es wagt, sich gegen den Schutzgelderpresser zu
stellen.« Sören saß auf dem Stuhl vor Eriks Schreibtisch und kippelte damit hin
und her. Diese Angewohnheit hatte Erik ihm noch nicht austreiben können, obwohl
er es schon oft versucht hatte. Ihm fiel das Nachdenken schwer, wenn er ständig
in Sorge sein musste, dass Sören in den nächsten Augenblicken rücklings ins
Zimmer fallen würde.
    Er entschloss sich, die Wand anzustarren, während er überlegte. »Und
wenn es ein eifersüchtiger Ehemann war, mit dessen Frau Henner Jesse ein
Verhältnis hatte?«
    Sören würdigte seinen Chef keiner Antwort. Diese Möglichkeit
erschien ihm genauso absurd wie Erik.
    Â»Welche Indizien haben wir?«, fragte Erik weiter. »Zwei Paar
Turnschuhe der Marke Adidas. Das war’s. Können wir es wagen, den Todesfall an
die große Glocke zu hängen? Die Bevölkerung aufrufen, uns Beobachtungen zu
melden? Nach Zeugen suchen? Frau Jesse befragen?«
    Â»Ich wäre gern dabei gewesen«, meinte Sören versonnen, »als der Arzt
ihr die Todesnachricht überbrachte. Wie sie wohl reagiert

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