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Tod im Dünengras

Tod im Dünengras

Titel: Tod im Dünengras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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jedes unversehrt. Genau wie die Kasse.
    Wie und warum war Utta Ingwersen gestorben? War sie auf
der Stiege gestolpert und dann gestürzt? Carlotta mochte es nicht glauben. Aber
um einen Raubmord handelte es sich offenbar auch nicht.
    Stunden schienen vergangen zu sein, als endlich Autoreifen vor dem
Haus quietschten. Türen schlugen, eilige Schritte kamen auf die Perlenmuschel
zu. Sie reckte den Hals. »Enrico!«
    So eilig rappelte sie sich hoch, dass beinahe ein Teil des
Tafelservices zu Bruch gegangen wäre, weil sie mit der Schulter ein Regalbrett
angehoben hatte. Dass sie das Milchkännchen, das herabpurzelte, mit einer
schnellen Körperdrehung im Schoß auffing, wertete sie als gutes Zeichen. Ihr
Reaktionsvermögen war wieder auf der Höhe. Und damit kehrten auch alle anderen
Lebensgeister zurück. Angesichts der Hilfe, die in Form ihres Schwiegersohnes
vor der Tür erschien, wurde sie schnell wieder die Alte. Sie fing schon an zu
erzählen, was sich zugetragen hatte, als sie den Schlüssel noch nicht umgedreht
und die Tür noch nicht geöffnet hatte.
    Aber weder Erik noch Sören achteten auf ihre Worte. Mamma Carlotta
wurde zur Seite geschoben, und Augenblicke später kniete Erik neben der Leiche.
    Â»Haben Sie etwas angefasst, Signora?«, fragte Sören.
    Â»Nur die Tür und das Telefon.« Und wieder begann sie zu berichten,
wie merkwürdig es ihr vorgekommen war, dass Utta Ingwersen ihre Verabredung
vergessen haben sollte. »Und dann merkte ich, dass die Tür nicht verschlossen
war …«
    Doch wieder hörte ihr niemand zu. Sie würde wohl später alles noch
einmal erzählen müssen. Aber eigentlich war das genau richtig so. Sie wusste jetzt
schon, dass es für sie sehr wichtig sein würde, so oft wie möglich zu erzählen,
wie groß ihre Angst und wie gewaltig ihr Mitleid gewesen war. Nicht nur Erik,
auch den Kindern, Tove und Fietje, Frau Kemmertöns, den Kassiererinnen von
Feinkost Meyer, dem Bäcker und später in ihrem Dorf den Nachbarn, die auf der
Piazza zusammenlaufen würden, wenn sich herumgesprochen hatte, was Carlotta
Capella auf Sylt erlebt hatte. Dann erst durfte sie darauf hoffen, dass sie das
Schreckliche verkraftet hatte, ohne seelischen Schaden genommen zu haben.
    Wieder hielt ein Wagen vor der Tür, die Spurensicherung erschien.
Erik ging Kommissar Vetterich entgegen und begrüßte ihn knapp. Während seine
Leute sich die Schutzanzüge überzogen, führte Erik den Leiter der Spurensicherung
zur Leiche.
    Â»Schauen Sie sich das an«, sagte er leise und wies auf Utta
Ingwersens linken Arm, der einen rechten Winkel bildete. In diesem Winkel war
ein merkwürdiges Zeichen zu erkennen, drei ineinander verschlungene
Doppelkreise. »Das hat augenscheinlich jemand auf den Boden gemalt«, flüsterte
Erik.
    Vetterich beugte sich darüber. »Der Täter?«
    Â»Fotografieren Sie das bitte.«
    Â»Meinen Sie, darauf wäre ich nicht selbst gekommen?«
    Â»Und versuchen Sie herauszufinden«, fuhr Erik ungerührt fort,
»welcher Stift benutzt wurde. Könnte ja sein, dass uns das weiterhilft.«
    Kommissar Vetterich nickte und schob Erik und Sören beiseite. Für
das, was jetzt kam, brauchte er Platz.
    Â»Was ist mit Dr. Hillmot?«, fragte Sören. »Ist der
steckengeblieben?«
    Â»Es ist Nachsaison«, gab Erik geistesabwesend zurück. »Es gab keinen
Stau in Westerland.«
    Sören grinste. »Ich meine nicht, dass er im Verkehr steckengeblieben
ist, sondern in seinem Kleinwagen. Irgendwann muss es doch mal passieren, das
er hinter dem Lenkrad festsitzt.«
    Sören neigte in Gegenwart einer Leiche zu Galgenhumor, während Erik
in derselben Situation jeglicher Sinn für Humor abhanden kam. Deswegen verzog
er auch keine Miene. Selbst dann nicht, als ein Wagen vorfuhr und der
übergewichtige Gerichtsmediziner Mühe hatte, sich aus dem Wagen zu wuchten.
    Â»Signora!«, rief er hocherfreut, als er Mamma Carlotta erkannte.
»Wie kommen Sie an den Tatort?«
    Â»Das wüsste ich auch gern«, sagte Erik und unterband damit die
langatmigen Erklärungen, zu denen seine Schwiegermutter gerade ansetzte.
    Aber die hatte das reinste Gewissen der Welt. Niemand konnte ihr
vorwerfen, Utta Ingwersens Angebot angenommen zu haben, zu verbilligten Preisen
bei ihr einzukaufen. Sie machte einen weiteren Versuch, Erik zu erklären, was
sie gesehen,

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