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Tod im Dünengras

Tod im Dünengras

Titel: Tod im Dünengras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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gehört, gedacht, gefühlt und vermutet hatte, aber wieder ohne
Erfolg.
    Erik nickte ungeduldig, als er begriffen hatte, dass ihr weder
Neugier noch Einmischung in seine Arbeit vorzuwerfen war, und wandte sich an
Sören: »Der Ehemann weiß anscheinend noch nicht Bescheid?« Sein Blick ging zu
einer Tür mit der Aufschrift »Zum Restaurant«. Er drückte die Klinke und nickte
zufrieden, als die Tür sich öffnete. Mit einer Kopfbewegung winkte er Mamma
Carlotta zu sich heran. »Hier durch«, sagte er und schob sie vor sich her.
    Harm Ingwersen hatte das Gesicht in beide Hände gelegt.
Seine Schultern zuckten, seine Finger bebten, er schien außerstande zu sein,
Erik anzusehen. Der war sicher, dass Harm zu den Männern gehörte, die seit ihrer
Kindheit nicht mehr in Gegenwart anderer geweint hatten. Erik hatte großes
Mitleid mit ihm und wünschte sich insgeheim, dass Vetterich untrügliche
Anzeichen dafür finden würde, dass Utta von einem Einbrecher überrascht worden
und für den Inhalt ihrer Kasse gestorben war. Oder Dr. Hillmot käme mit der
Mitteilung, alles sähe nach einem Unfall aus: Utta sei durch unglückliche
Umstände von der Galerie gestürzt und habe sich dabei tödlich verletzt.
    Ob Harm Ingwersen in seiner ersten Verzweiflung daran dachte, was
vermutlich hinter dem Tod seiner Frau steckte? Es würde nicht lange dauern, bis
ihm klarwerden musste, warum sie gestorben war.
    Erik gab sich einen Ruck. Er musste aufpassen, dass er sich nicht
festfuhr, musste in alle Richtungen ermitteln, alles für möglich halten, nicht
nur das, was der Anschein hergab. Vielleicht steckte hinter Utta Ingwersens Tod
etwas ganz anderes als die Brutalität der Mafia?
    Noch bevor Sören an der Tür zu seiner Privatwohnung hatte klingeln
können, war Ingwersen ahnungslos ins Restaurant gekommen, um seine Putzfrau
einzulassen. Er war durch eine Tür in der Nähe der Theke eingetreten, auf der
»Privat« stand und die anscheinend in die Wohnung der Ingwersens führte.
Unrasiert und ungekämmt war er, trug eine Jogginghose und ein T-Shirt und war sehr erstaunt, auf die
Polizisten und eine ihm fremde Frau zu treffen.
    Â»Hat meine Frau Sie eingelassen? Wo ist sie überhaupt?«, hatte er
gefragt. Normalerweise ließ Utta die Putzfrau ins Restaurant, hatte er erklärt,
damit er selbst, der oft bis tief in die Nacht im Restaurant zu tun hatte,
ausschlafen konnte. Aber diesmal hatte die Putzfrau ihn telefonisch aus dem
Bett geklingelt. »Sie hat behauptet, der Laden wäre verschlossen. Und noch
irgendwas hat sie erzählt, was ich nicht verstanden habe. Sie redet ja nur
gebrochen Deutsch.« Während er sprach, hatte er die Tür des Restaurants
aufgeschlossen und eine dunkelhäutige junge Frau eingelassen, die sich in die
Küche begab und kurz darauf mit dem Putzeimer klapperte. Dann hatte er den
unverhofften Besuch angelächelt, aber Erik konnte beobachten, wie seine
Mundwinkel zu zittern begannen und allmählich herabsanken. »Was ist passiert?
Haben Sie den Kerl?«
    Erik strich sich den Schnauzer glatt und räusperte sich, doch bevor
er umständlich mit der schrecklichen Wahrheit herausgerückt war, hatte schon
Mamma Carlotta eingegriffen. Erik wollte sie zurückhalten, sah aber bald ein,
dass er selbst niemals derart einfühlsame Worte gefunden hätte. Sie schaffte
es, Harm Ingwersen einerseits die volle Wahrheit zu sagen, ohne etwas zu
vertuschen oder zu beschönigen, ihm aber gleichzeitig Trost zu spenden, der
sich nicht auf hohle Phrasen beschränkte. Gegen seinen Willen bewunderte er
seine Schwiegermutter mal wieder für ihre Emotionalität, der er sich stets unterlegen
fühlte.
    Nun hatten sie eine Weile geschwiegen und Harm Ingwersen seinem
Schmerz überlassen. Plötzlich stöhnte er, ohne aufzusehen: »Das habe ich nicht
gewollt.« Langsam hob er den Kopf. »Wenn ich gewusst hätte, dass dieses Schwein
sich an meiner Frau vergreift …«
    Â»Sie wissen, wer es getan hat?«, fragte Mamma Carlotta aufgeregt.
Aber Erik brachte sie mit einer energischen Handbewegung zum Schweigen.
Erschrocken legte sie eine Hand auf den Mund, als müsste sie die Worte daran
hindern, unversehens aus ihr herauszupurzeln.
    Â»Als er mir gedroht hat, habe ich nur daran gedacht, dass er mir
etwas antun könnte. Er hat nie davon gesprochen, dass seine Rache auch meine
Familie

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