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Tod im Dünengras

Tod im Dünengras

Titel: Tod im Dünengras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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überweht war und das Fortkommen
per Rad schwierig wurde.
    Als der Weg vom Strand wegführte, blieb sie stehen und dachte nach.
Sollte sie versuchen, das Fahrrad an der Wasserkante entlangzuschieben, wo der
Sand feucht und fest war? Sie sah eine Weile nachdenklich in den Himmel. Tief
hingen die Wolken, zum Greifen nah. Wie häufig hatten die Kinder kurz nach
Lucias Tod in den Himmel geschaut und Trost gefunden, wenn die Wolken sich zur
Erde senkten! Dann war ihnen ihre Mutter nahe, das glaubten sie noch heute, in
Umbrien wie auf Sylt.
    Â»Ach Lucia!«, murmelte Mamma Carlotta. »Gut, dass du nicht
miterleben musst, dass deine Insel zum Opfer der Mafia wird!« Sie sah einem
Wolkenfetzen nach, der sich aus einem aufgeplusterten Wolkenberg löste und wie
ein transparentes Ausrufezeichen den Himmel teilte. »Vielleicht kannst du ein
wenig auf Sylt aufpassen, la mia piccola?«
    Sie sah dem Ausrufezeichen dabei zu, wie es sich an eine
herantreibende Wolke schmiegte und in ihr aufging. Warum sie sich getröstet
fühlte, konnte sie nicht sagen. Aber als sie die Lornsenstraße entlangradelte,
wurde sie immerhin nicht mehr von dem totenbleichen Gesicht Utta Ingwersens
verfolgt.
    Der Radweg führte über den Parkplatz zur meteorologischen Station,
dann an der Nordseeklinik entlang. Am Ende der Seedüne bog sie in den Hochkamp
ein und stand kurz darauf vor Käptens Kajüte. Noch immer wusste sie nicht, wie
sie Tove dazu bringen sollte, ihr die Wahrheit zu sagen. Ob er ihr gestehen
würde, Schutzgeld zu zahlen, wenn sie ihm von dem gewaltsamen Ende Utta
Ingwersens berichtete? Aber diesen Gedanken verwarf sie gleich wieder. Wenn
Tove Angst hatte, dann würde sie damit nicht geringer. Im Gegenteil! Und da
morgen das Inselblatt vom Tode Utta Ingwersens berichten würde, war heute wohl
ihre letzte Chance, etwas aus Tove herauszubekommen.
    Als die Stimmen der beiden Italiener an ihr Ohr drangen, horchte sie
auf. Zwei dunkelhaarige Männer waren es, die aus der Imbiss-Stube traten. Sie
trugen schwarze Anzüge über weißen T-Shirts,
der eine war klein und zierlich, der andere ein großer, breiter Kerl, dessen
Muskeln das Jackett zu sprengen drohten. Der Kleine warf seine Zigarette zu
Boden und trat sie aus, während der Große ihn fragte, was es mit Francescos
merkwürdiger Verabredung auf sich habe. Ob da eine Frau im Spiel sei? Der
Kleinere lachte, antwortete etwas, was Mamma Carlotta nicht verstand, dann
schlenderten die beiden den Hochkamp entlang zu ihrem etwa hundert Meter
entfernt geparkten Auto.
    Während sie davonfuhren, fragte sich Mamma Carlotta, warum sie den
Wagen wohl nicht direkt vor Käptens Kajüte abgestellt hatten, wo genug Platz
war. Und plötzlich kam ihr eine Idee …
    Â»Moin, Signora!« Toves Laune schien noch schlechter zu sein als
sonst. Er räumte lautstark die Spülmaschine aus, knallte Teller und Tassen auf
die vorgesehenen Regalbretter und warf dann die Tür der Spülmaschine zu, als
dürfte sie nie wieder einen einzigen Teller spülen.
    Â»Buongiorno, Tove«, sagte Mamma Carlotta. »Un cappuccino, per
favore.«
    Tove warf ihr einen finsteren Blick zu. »Wieso reden Sie neuerdings
italienisch mit mir?«
    Carlotta tat so, als wäre ihr ein Versehen unterlaufen. »Scusi! Es
war nur wegen dieser beiden Herren, die gerade bei Ihnen rauskamen. Die beiden
Italiani. Sie kamen mir übrigens bekannt vor«, behauptete sie, nachdem Tove ihr
etwas vorgesetzt hatte, was in ihrer Heimat niemals als Cappuccino
durchgegangen wäre.
    Â»Solche Typen kennen Sie?« Tove legte unvermittelt seine dicht
behaarten Unterarme auf die Theke und beugte sich Mamma Carlotta so weit
entgegen, dass sie seinen Schweißgeruch wahrnahm. Vorsichtig wich sie zurück,
aber dem Geruch konnte sie nicht entgehen, wenn sie nicht vom Barhocker kippen
wollte. »Diese beiden Drecksäcke kennen Sie nicht!«, erklärte er bestimmt.
»Wetten?«
    Â»Drecksäcke?«, wiederholte Mamma Carlotta freundlich. »Was ist das?«
    Â»Halunken! Halsabschneider! Betrüger! Ganoven!«
    Â»Ah, ladroni! Ich verstehe! Dann könnte es wirklich sein, dass ich
sie kenne.«
    Tove starrte sie an, als hätte sie angekündigt, ein
Restaurantkritiker würde demnächst seine Imbiss-Stube heimsuchen.
    Â»Ich glaube, die waren schon mal in meinem Dorf.«
    Â»In Ihrem Dorf? Das sind doch mindestens … keine Ahnung,

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