Tod im Dünengras
niemals bekommen!« Susanna fuhr sich mit einer
eindrucksvollen Geste durch die langen Haare. »Als er den ganzen Tag nicht
angerufen hat, dachte ich, er hätte nun endlich kapiert, dass es zwecklos ist.«
»Aber er konnte nicht anrufen, weil er nicht mehr lebte.« Erik holte
sein Notizbuch hervor, als wollte er endlich zu den Fakten kommen. »Sie kennen
sicherlich seine Handynummer?«
»Natürlich!« Susanna griff nach seinem Notizbuch und schrieb sie
kurzerhand hinein.
Erik bedankte sich mit einem Nicken. »Können Sie sich vorstellen,
wer Francesco umgebracht haben könnte, Frau Larsen?«
Sie sah ihn überrascht an, dann schüttelte sie den Kopf.
»Hat er Ihnen nichts anvertraut? Von beruflichen Schwierigkeiten
vielleicht oder von privaten Problemen? War er womöglich in kriminelle
Machenschaften verstrickt?«
Susanna schüttelte den Kopf. »Er hat gesagt, die Zeit der krummen
Touren wäre vorbei. Er verdiente jetzt gut, hatte einen tollen Job bei diesem
Investor â¦Â«
Sie wurde vom Telefonklingeln unterbrochen. Mit leiser Stimme
meldete sie sich, lauschte kurz, dann sagte sie: »Ich komme sofort.«
Entschuldigend sah sie Erik an. »Der Oberkellner! Eine Gesellschaft ist
eingetroffen, ich werde gebraucht.«
Erik winkte ab. »Wir sind gleich fertig.«
»Was wollen Sie noch von mir? Ich weià wirklich nicht viel von
Francesco.«
»Immerhin wollte er Sie heiraten. Sie müssen sich also sehr vertraut
gewesen sein.«
»Ich glaube, Francesco ging es vor allem darum, sich wieder mit
seiner Familie zu versöhnen. Er wollte als gemachter Mann nach Chiusi
zurückkehren. Mit einem guten Job, mit viel Geld und mit einer Frau, die alle
kannten und mochten. Er wollte genau das sein, was ihm früher niemand zugetraut
hat.«
»Waren Sie jemals mit ihm in seiner Wohnung?«
Susanna tippte sich an die Stirn, dann setzte sie sich wieder. »Ich
bin doch nicht blöde. Dann hätte er gedacht, er kann mich in die Kiste
kriegen.«
»Und das wollten Sie nicht.«
»Natürlich nicht!«
Diese Antwort schien Sören zu gefallen. Endlich kam er auf die Idee,
Susanna Larsen nicht nur anzustaunen, sondern ihr mit klugen Fragen zu
imponieren. »Haben Sie jemals die beiden Freunde kennengelernt, mit denen Francesco
auf Sylt war?«
Susanna runzelte die Stirn. »Er hat mal von zwei Kollegen
gesprochen, die ihn bei seiner Arbeit unterstützten. Aber Freunde waren das
nicht.«
Erik fand sich damit ab, dass Susanna Larsen entweder nichts wusste
oder nichts sagen wollte. Freundlich lächelnd reichte er ihr seine
Visitenkarte. »Wenn Ihnen noch etwas einfällt, was uns helfen könnte, rufen Sie
mich bitte an.«
Susanna nickte und öffnete den beiden Polizeibeamten die Tür. Sören
trat als Erster auf den Flur und ging schon die Treppe hinab, als Erik
plötzlich stehen blieb. »Was ist das?«
Aus dem Nachbarzimmer drang laut und vernehmlich das Lied vom Jäger
aus Kurpfalz, der die Gewohnheit hatte, das Wild daherzuschieÃen.
Susanna grinste. »Einer unserer Praktikanten singt auch im
Inselchor. Er übt mit seiner Freundin fürs Wettsingen.«
»Der junge Silbereisen?«, fragte Erik, der eine geradezu neurotische
Angst vor Vornamen entwickelt hatte.
Susanna zuckte mit den Schultern. »Wie der mit Nachnamen heiÃt, weiÃ
ich nicht. Wir reden uns hier alle mit Vornamen an. Ausgenommen natürlich die
Ingwersens.«
»Dann ist Ihnen der Name Silbereisen kein Begriff?«
»Ich kenne nur Florian Silbereisen.«
»Den meine ich!«, sagte Erik erfreut. »Und ⦠wie finden Sie den?
Ist das ein netter Typ?«
Susanna zog die Mundwinkel herab. »Mein Fall ist er nicht. Aber so
was ist ja Geschmackssache.«
Carlotta lieà sich vom letzten Licht des Tages nach
Wenningstedt begleiten. Der Wind hatte zugenommen, aber trotzdem war sie
überraschend schnell vorangekommen. Wahrscheinlich deshalb, weil sie keinen
einzigen Gedanken an den Gegenwind verschwendet hatte und an die Kraft, die sie
seinetwegen aufbringen musste. Sie war vollauf mit dem Schicksal der armen Vera
beschäftigt, die von ihrem Mann betrogen wurde, und zwar mit der hübschen
jungen Kellnerin, die ihrem Chef den Kopf verdreht hatte. Und zwischendurch
dachte sie an ihren Schwiegersohn, der etwas ausplauderte, worüber sie selbst strengstes
Stillschweigen bewahren sollte.
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