Tod im Dünengras
könnte sein, dass sie mehr weiÃ, als sie zugibt. Vielleicht war
ihr Verhältnis zu Francesco auch ganz anders, als sie sagt. Vielleicht war sie
doch seine Geliebte und wollte ihn tatsächlich heiraten. Aber jetzt, nach
seinem Tod, hat sie Angst bekommen.«
»Wovor?«
»Davor, dass wir während der Ermittlungen was rausbekommen, was auch
ihr gefährlich werden kann.«
»Sie glauben allen Ernstes, sie hat mit Francesco gemeinsame Sache
gemacht?«
»AusschlieÃen kann man es nicht. Wissen Sie noch, wie sie plötzlich
in der Muschel I auftauchte? Kurz
nachdem wir Utta Ingwersen gefunden hatten?«
»Zufall!«
»Kann sein. Oder aber auch nicht.« Erik winkte ab, ehe Sören weitere
Gründe fand, die für Susanna Larsens Unschuld sprachen. »Ich will damit auch
nur sagen, dass der Mord nicht unbedingt etwas damit zu tun haben muss, dass
Francesco den Mafioso spielte. Vielleicht steckt was ganz anderes dahinter. Ein
Motiv, das wir hier auf Sylt finden.«
»Und was ist mit den Geldeintreibern? Warum sind die abgehauen? Und
warum haben die alles mitgenommen und versucht, keinerlei Spuren zu
hinterlassen?«
»Weil sie Henner Jesse und Utta Ingwersen auf dem Gewissen haben.
Und weil sie Angst haben, dass wir ihnen während der Ermittlungen zu Francescos
Tod auf die Spur kommen.«
Sören zeigte nach rechts. »Setzen Sie mich zu Hause ab?«
Erik bog in den Ring ein, der sich der Braderuper StraÃe anschloss.
An der AuÃenseite standen bescheidene Einfamilienhäuser, die abbezahlt wurden,
indem die Besitzer an Feriengäste vermieteten. In der Mitte des Karrees gab es
einige Mehrfamilienhäuser. In einem davon wohnte Sören.
Nachdenklich setzte Erik wenig später seinen Weg allein fort. Sören
hatte recht. Tatsächlich blickte er, seit der groÃe Schuhabdruck gefunden worden
war, allen Menschen auf die FüÃe. Auch denen, die in keinerlei Tatverdacht
standen. Bei einem Besuch in der Muschel I
in Westerland hatte er sogar Harm Ingwersens FüÃe betrachtet. Er trug höchstens
SchuhgröÃe fünfundvierzig.
Sie hatten den Restaurantbesitzer aufgesucht, bevor sie nach Keitum
fuhren. Bei all dem Schrecklichen, was diesem Mann widerfahren war, sollte er
wenigstens so schnell wie möglich erfahren, dass er sich keine Sorgen mehr zu
machen brauchte.
»Es wird Ihnen niemand mehr mit Schutzgelderpressungen kommen. Und
Sie brauchen auch keine Gewalt mehr zu fürchten«, hatte Erik erklärt.
»Was sagen Sie? Der Kerl hatte mit der Mafia gar nichts zu tun?«
»Er hat das Wort Mafia nur benutzt, um seinen Opfern Angst zu
machen.«
Sie hatten in einem Büro hinter der Theke gesessen, vor der Tür
summten die Gespräche der Restaurantbesucher, unterbrochen von leisem Klirren
und den klaren Stimmen des Bedienungspersonals.
Harm Ingwersen war sich durch die Haare gefahren. »Ich bin also auf
einen kleinen Ganoven reingefallen?«
Erik hätte am liebsten nach seinem Arm gegriffen, um ihn zu trösten.
»Die Gefahr war genauso groÃ, als hätte die echte Mafia dahintergesteckt«,
hatte er betont. »Sonst würde Ihre Frau noch leben. Machen Sie sich also keine
Vorwürfe. Sie haben sehr mutig gehandelt, und Ihr Mut wird nicht geringer
dadurch, dass ein kleiner Ganove den Mafioso nur spielen wollte. Ich kann Ihnen
nicht sagen, wie leid es mir tut, dass Sie für Ihren Mut so hart bestraft
wurden.«
Erik war versucht, weiter geradeaus zu fahren, aufs Meer
zu, um eine halbe Stunde am Strand zu verbringen. Nicht um über den Fall
nachzudenken, sondern um sich in Ruhe zu überlegen, wie er mit Carolin umgehen
sollte, wenn sie nach Hause kam. Dass Susanna Larsen den Praktikanten
augenscheinlich nicht mochte, erfüllte ihn mit zusätzlicher Sorge. Er sei nicht
ihr Fall, hatte sie gesagt. Schlimm genug, dass er beim ersten Freund seiner
Tochter alles falsch gemacht hatte. Es wäre für ihn leichter zu ertragen
gewesen, wenn man ihm versichert hätte, dass dieser junge Mann ein netter Kerl
sei, bei dem Carolin gut aufgehoben war. Durch den Irrtum mit dem Vornamen
hatte er jeglichen Einfluss auf seine Tochter verloren. Sie entzog sich und war
abends lieber bei diesem Florian ⦠oder Michael ⦠oder wie er nun
hieÃ. Erik wäre es lieber gewesen, die beiden hätten den Abend am Süder Wung
verbracht, am groÃen Tisch in der Küche, wo es duftete, dampfte und
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