Tod im Ebbelwei-Express (German Edition)
neues Kleid, oder Mausespeck, findest du, ich bin zu dick? Bernie hatte es nämlich mit der Wahrheit und diese korrespondierte nun mal selten bis nie mit den Antworten, die das weibliche Geschlecht sich mit all dieser Fragerei erhoffte. Gelegentlich hatte er Affären, fast ausschließlich mit verheirateten Damen, die gewöhnlich ihre Gatten mit diesem Gesülze malträtierten, und ihn, Bernie, damit in Ruhe ließen. Das hieß aber nicht, daß er gänzlich gegen eine Beziehung eingestellt war. Irgendwo auf diesem Erdenrund mußte es doch eine weibliche Person geben, die genügend Selbstbewußtsein besaß, um auf solche Fragen, vor nehmlich aber auf die Antworten nicht angewiesen zu sein. Es schien aber so, als würde die Suche im Sande verlaufen.
Nach dem Frühstück blieb er noch eine Weile sitzen und genoß die Aussicht auf den Hofgarten. Am liebsten hätte sich Bernie, der eigentlich Bernhard hieß, mit einem guten Buch auf den großen Balkon, der fast schon eine Veranda war, gesetzt und den lieben Gott einen guten Mann sein lassen. Er mochte den Sonntagsdienst nicht sonderlich, aber das Leben war ja kein Wunschkonzert. Mit einem Seufzer stand er auf und zog sich die Uniform an. Wenigstens arbeite ich heute mit Jürgen zusammen, dachte er. Jürgen war sein Lieblingskollege und immer zu Späßen aufgelegt. Die Kundschaft heute würde aus einem Fahrradklub bestehen, der sein sechzigjähriges Bestehen feierte, und den er am Zoo einladen sollte. Er war gespannt darauf, wie sich der Ebbelwei-Expreß, der im Depot am Südbahnhof auf ihn wartete, nach der aufwendigen und bestimmt auch teuren Restaurierung in seinem neuen Kleid wohl präsentierte. Bernie schaute auf die Uhr. Er lag gut in der Zeit.
Auch Herr Schweitzer schaute auf die Uhr, allerdings nicht auf seine eigene, die war ja weg, sondern auf die Stationsuhr der Endhaltestelle Neu-Isenburg. Nur noch wenige Minuten, bevor es ernst wurde. Erstmalig für heute verspürte er so etwas wie Anspannung. In einer halben Stunde oder maximal fünfundvierzig Minuten würde alles vorüber sein. Oder wenigstens das, worauf es ankam. So oder so, dachte Herr Schweitzer, all seine Sorgen gehörten bald der Vergangenheit an. Seine Wunde hatte aufgehört zu bluten, dafür spürte er, wie sein patschnasses Hemd am Rücken klebte. Bei dem Gedanken, nachher noch rennen zu müssen, wurde Herrn Schweitzer ganz anders. Man muß sein Handeln den Gegebenheiten anpassen können, manchmal sogar blitzschnell, gerade bei einem Detektiv wurde das allgemein erwartet, also zog er Jacke und Pullover aus und hängte sie auf den Haken links hinter dem Fahrersitz.
„Wie läuftst du denn rum?“ fragte Bertha, als sie das abenteuerliche Konstrukt seiner Hosenlatzbefestigung erblickte. Die Pistole im Hosenbund schien sie als normal zu betrachten.
Nicht schon wieder, dachte Herr Schweitzer bloß. „Paß auf, ich bin zu dick, okay? Die Uniform paßt nicht mehr hundert Prozent, okay? Mein Maßschneider hat sich letzte Woche erhängt, okay? Und ein neuer …“
„Wieso denn des?“
„Wieso was?“
„Warum der sich erhängt hat?“
„Was weiß ich? Vielleicht war das Heroin schlecht, daß ich ihm immer als Bezahlung gegeben hab.“
„Du verarschst mich grade?“ Bertha war sich wirklich nicht sicher.
„Das ist jetzt alles nicht wichtig. Das mit meinem Maßschneider erzähl ich dir später einmal. Wir müssen uns jetzt konzentrieren. Guck, die 14 fährt bereits ab.“ In Herrn Schweitzers Modulation schwang etwas, das selbst Bertha verstummen ließ. „Wir warten jetzt noch eine Minute, dann fahren wir los. Geh schon mal in den hinteren Waggon.“
Bertha nahm ihre Handtasche, in der doch kein Kasten Bier steckte, vom Schaltbrett.
„Bertha …“
„Ja?“ Sie drehte sich noch einmal um.
„Es kommt jetzt ganz allein auf dich an. Ich vertrau dir. Wir alle vertrauen dir.“
Ernst sagte sie: „Ja, Simon, ich weiß.“ Es klang sehr, sehr leise.
Im Rückspiegel beobachtete er, wie sich die alte Wirtin entfernte. Im Rückspiegel beobachtet er, wie sich die alte Wirtin umdrehte und noch einmal zurückkam. Jeder andere hätte sie jetzt angepflaumt, was denn nun schon wieder sei, doch Herr Schweitzer war da anders: „Ja, gibt’s noch was?“
„Wenn das hier fertig ist, gibst du mir deine Hose, ich näh dir die dann richtig.“
Fast hätte Herr Schweitzer lachen müssen, doch er beherrschte sich. „Ist in Ordnung. Danke, Bertha.“
„Keine Ursache.“
Früher hatte sich Herr
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