Tod im Ebbelwei-Express (German Edition)
Schweitzer immer auf die Strecke durch den Frankfurter Stadtwald, der einst von Kaiser Karl IV an die Stadt verkauft worden war, gefreut – sie lud zum Träumen ein. Nun starrte er geistesabwesend auf die immer schneller unter dem Ebbelwei-Expreß fortgleitenden Schwellen. Auch die Schienen schienen wie ein dahinfließendes Quecksilberrinnsal unter seinen Füßen hindurchzurauschen. Schon von weitem sah er die Silhouetten der drei wartenden Russen, genau so wie Bertha es arrangiert hatte. Er drehte die Kurbel und die Geschwindigkeit nahm ab. Nichts hatte Herr Schweitzer verlernt. Straßenbahn- ist wie Fahrradfahren. Was einmal sitzt, sitzt für immer.
Als Herr Schweitzer die Straßenbahn zum Stillstand brachte, beobachtete er, wie zwei der Russen ihre Hände nicht natürlich bewegten, sie waren in der Nähe ihrer Waffen und offensichtlich bereit, jederzeit davon Gebrauch zu machen. Homo homini lupus – der Mensch ist dem Menschen ein Wolf –, daran gab es kein Rütteln, das wird immer so sein. Der Dritte im Bunde ist wohl der Boß, dachte Herr Schweitzer. Sie stiegen zu Bertha in den hinteren Waggon. Eine Station später warteten bereits die Italiener. Auch bei ihnen war die Konstellation dieselbe, einer, der das Sagen hatte, und zwei finstere, gewaltbereite Handlanger. Herr Schweitzer hatte auf dieser Teilnehmerbegrenzung bestanden, auf diese Weise würde der Leichenbeschauer den Überblick behalten.
Er wurde von Jürgen mit den Worten „Der Ebbel-Ex ist fort“ empfangen.
Bernie starrte auf das leere Depot, das seit geraumer Zeit nicht mehr als solches genutzt wurde. Es war im Gespräch, in diesen Hallen den Wochenmarkt am Südbahnhof unterzubringen, dann wäre die Kundschaft nicht mehr der Witterung ausgesetzt. Bei der momentanen städtischen Finanzlage konnte das aber noch ein paar Jahrhunderte dauern. „Vielleicht hat sich was im Dienstplan geändert, ohne daß die uns benachrichtigt haben.“
„Ich ruf mal die Zentrale an“, sagte Jürgen, „kann ja auch sein, der Ebbel-Ex steht woanders.“ Er wählte die gespeicherte Nummer.
Bernie schüttelte den Kopf. Mysteriös, dachte er, aber auf die Idee, die Straßenbahn könnte geklaut worden sein, kam er nicht, sie war einfach zu absurd, zumal man die ja auch nicht einfach in eine Garage fahren, umlackieren und nach Polen verkaufen konnte.
In der Zentrale war man ratlos. Laut Plan hatte der Ebbelwei-Expreß am Südbahnhof zu stehen. Die diensthabende Dame versprach, mal telefonisch in den anderen Depots nachzufragen, vielleicht habe sich da kurzfristig was geändert. Mit dem Versprechen, Jürgen binnen kurzem zurückzurufen, beendete sie das Gespräch.
„Und was jetzt?“ fragte Bernie, der so etwas noch nie erlebt hatte.
„Laß uns bei McWürg einen Kaffee trinken gehen.“
„Solange ich da nichts essen muß …“
Der Kaffee war getrunken und die Zentrale hatte immer noch nicht zurückgerufen, als der Ebbelwei-Expreß plötzlich am Fenster des im östlichen Teil des Südbahnhofs untergebrachten Schnellrestaurants vorüberglitt. Bernie und Jürgen erblickten ihn gleichzeitig. Und wie es sich gehörte, wurde er von einem Kollegen gefahren, so jedenfalls der äußere Anschein.
„Ich glaube, die in der Zentrale haben einen Knall“, sagte Jürgen. „Beordern uns hier her, obwohl der Ebbel-Ex schon längst mit Gästen unterwegs ist. Die kriegen von mir jetzt aber was zu hören. Wirst sehen, gleich können wir uns wieder aufs Ohr hauen.“
Auch das Zentralenmädel glaubte, irgendwer habe einen Knall, nachdem sie Jürgens Bericht vernommen hatte. Sie klingelte den Fahrdienstleiter aus dem Bett, doch dieser meinte, vielleicht erlaube sich hier jemand einen Scherz und habe den Ebbel-Ex für eine Spritztour entwendet, man solle wohl mal besser die Polizei verständigen. Das Zentralenmädel erwiderte zwar, der Ebbel-Ex würde aber offensichtlich von einem Kollegen gesteuert, doch der Fahrdienstleiter wollte auf Nummer Sicher gehen.
Kurz darauf erhielt ein in Dribbdebach Streife fahrendes Polizeiauto den nicht ganz alltäglichen Befehl, nach einem in östlicher Richtung unterwegs seienden Ebbelwei-Expreß zu suchen, dieser könne eventuell von Unbekannten gestohlen worden sein. Man solle aber behutsam vorgehen, da stark davon auszugehen sei, daß es sich hierbei bloß um ein grobes innerbetriebliches Mißverständnis seitens der Kollegen von den Verkehrsbetrieben handelte.
Polizistin und Polizist der Streifenwagenbesatzung sahen sich an und tippten
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