Tod im Herbst
wir aus dem Arno gefischt haben. Ich mu ß si e identifizieren . Si e könnte n woh l nich t eine n länge ren Artikel schreiben und ein Bild veröffentlichen, oder? Mein e Hoffnun g ist , da ß jeman d si e vielleich t wieder erkennt.«
»Schwierig. Ich weiß nicht, ob der Redakteur das ak zeptiert , e s se i denn , Si e habe n mi r etwa s Neue s z u berich ten.«
»Überhaupt nichts, das ist es ja!«
»Dann weiß ich auch nicht, was ich schreiben könnte. E s is t j a scho n darübe r berichte t worden . Wen n Si e mi r das Bil d schicken , dan n könnt e ic h versuchen , da ß e s abgedruck t wird , mi t de r Bitt e u m sachdienlich e Hinweis e et cetera.«
»Ich brauche mehr. Die Zeitung hat viel zu wenig Käu fer . Ic h brauch e etwas , worübe r sic h di e Leut e unterhalten können ; au f dies e Weis e besteh t ein e größer e Chance , daß si e i n de r Ba r di e Zeitun g nehme n un d eine n Blic k hinein werfen.«
»Wie soll ich das denn machen, wenn es keine Story gibt! Überhaupt, worum geht es denn? Ich dachte, es ist bloß Selbstmord. Steckt dahinter eine Geschichte, die Sie mir vorenthalten?«
»Nein . Für s erst e geh t e s nu r u m ein e Formalität . J e eher wi r di e Fra u identifiziere n können , dest o ehe r kan n sie beerdig t werden . Abe r e s besteh t tatsächlic h ein e Möglich keit , da ß e s kei n Selbstmor d war , wen n Ihne n da s was nützt.«
»Doch, doch. Kann ich schreiben, daß Sie einen Mord vermuten?«
»Si e könne n schreiben , wa s Si e wollen , solang e Si e mich nicht zitieren. Jedenfalls können Sie doch bestimmt was au s de r Tatsach e machen , da ß si e unte r de m Pelzmantel nichts anhatte. Das ist ja wirklich ungewöhnlich.«
»Nicht, wenn sie bloß einen Dachschaden hatte. Aber wen n Si e eine n Mor d vermuten , dan n sieh t da s alle s anders aus . Wi e al t wa r sie?«
»Um die fünfzig.«
»Eine Prostituierte?«
»Glaube ich nicht, aber das wird zur Zeit noch überprüft, für alle Fälle.«
»Na gut, ich werde sehen, was sich machen läßt. Ist ja ma l ‘n e Abwechslung , wen n Si e mi r sagen , da ß ic h schrei ben kann, was ich will.«
»Tun Sie das nicht sowieso?«
Der Reporter lachte und legte auf.
Tag s darau f erschie n de r Artikel . De r Fotogra f hatt e sich bemüht, dem Gesicht der Toten einen Anschein von Lebendigkeit und Normalität zu geben, und der Reporter hatte aus der Geschichte herausgeholt, was er nur konnte, aber sie war einfach zu dünn.
Eine Woche verging, doch niemand meldete sich, um die Tote zu identifizieren. Die Leute des Hauptmanns hatten herausgefunden, daß das Gesicht der Toten unter den Prostituierten der Stadt nicht bekannt war. Der Pelzmantel, den sie getragen hatte, war nicht in Florenz gekauft worden, zumindest nicht in einem noch bestehenden Geschäft , abe r e s wa r sowies o ei n rech t altmodische r Man tel. Das Etikett war schon längst abgegangen. Das Armband und die dazu passenden Ohrringe waren wertlos und trugen keinen Stempel, würden bei der Identifizierung also nicht weiterhelfen. Eine Überprüfung sämtlicher Häuser am Arno, ab Ponte Vecchio flußaufwärts, hatte bislang nicht zu einem Zeugen geführt, der gesehen hätte, wie die Leiche in den Fluß geworfen worden war. Was zu erwarte n stand , d a zu r Tatzei t gewi ß überal l di e Fensterlä den geschlossen waren. Blieb nur noch der Obduktionsbericht. Der Hauptmann kam nicht dazu, ihn sofort nach Erhalt zu lesen. Es gab zu viel zu tun. In der Drogenszene waren ein paar neue Gesichter aufgetaucht, und es hatte zwe i Todesfäll e gegeben , zwe i Jugendlich e ware n nachein ander gestorben. Fraglos stand dahinter eine neue Bande, die vermutlich minderwertiges Zeug vertrieb. Der Hauptmann hatte den ganzen Vormittag mit den jungen Zivilfahndern gesprochen, die sich unter die verschiedenen Drogencliquen mischen sollten, bis die neue Quelle ausfindig gemacht war. Früher oder später würde ein Informant reden, um sich seinen nächsten Schuß kaufen zu können. Schließlich nahm er sich den Obduktionsbefund i n de r Mittagspaus e vo r un d lie ß sic h ei n belegte s Brötchen und ein Glas Wein heraufkommen.
E r sucht e nac h eine r Bestätigun g dessen , wa s e r un d der jung e Staatsanwal t a n jene m kühle n Morge n a m Arnoufer vermutet hatten, während der Arzt eine erste Untersuchung vorgenommen hatte. Sie hatten am Hals Blutergüsse und eine Kratzwunde quer über die ganze Seite gesehen.
A N DI E STAATSANWALTSCHAF T FLORENZ
Am 29.
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