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Tod im Jungfernturm

Tod im Jungfernturm

Titel: Tod im Jungfernturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Jansson
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gehen.«
    »Rechnet sich das denn?«
    »Vater hat mit einkalkuliert, daß Mutter Vollzeit arbeiten würde. Er hat ausgerechnet, daß ihr Job in der Langzeitpflege ungefähr fünfzehn Kühen entspricht. Mit den zehn Kühen, die wir im Stall stehen haben, und der Forstwirtschaft kommt er über die Runden.«
    »Haben die beiden denn nie darüber nachgedacht, den Hof zu verkaufen?«
    »Die Idee war, daß ich den Hof übernehme. Die Erwartungen lasten schwer auf dem ältesten Sohn.« Christoffer lachte, aber das Lachen erreichte nicht seine Augen. »Olov und ich sind Zwillinge und so unterschiedlich wie zwei Beeren von verschiedenen Büschen. Ich bin rein zufällig als erster gekommen, klein und mickrig. Ganz entgegen meiner Überzeugung, das muß ich dazu sagen. Aber Mutter Natur ist nicht immer gerecht.«
    »Wo waren Sie am Montagmorgen?«
    »Jetzt wird’s gefährlich!« Christoffer nahm eine feminine Pose ein und hob die Handflächen zum Schutz gegen den Angriff. »Wollen Sie alle Details?«
    »Ja, natürlich.« Maria setzte sich zurecht, nahm sich einen Apfel aus dem Korb und bot auch Christoffer einen an, der aber ablehnte.
    »Ich befand mich an einem mir unbekannten Ort außerhalb der Stadtmauer. In einer dunklen und schlecht gelüfteten Wohnung mit einem Meer von Nippes machte ich eine Frau glücklich. Es ist mir ein Rätsel, wie ich dorthin gekommen bin. Allerdings erinnere ich mich genau, wie ich von dort wegging. Männer können so mißgünstig sein. Teilen Sie meine Meinung?«
    »Vielleicht. Mal sehen. Erzählen Sie weiter.«
    »Gewiß war er derjenige, der die Miete bezahlt hatte, ich meine der Mann, der mit seinem eigenen Schlüssel reinkam. Das stelle ich ja überhaupt nicht in Frage. Aber man dürfte doch ein klein wenig Gastfreundschaft zeigen, wenn jemand Fremdes kommt. Ich weiß nicht, ob er mehr darüber verärgert war, daß ich sein Badetuch geliehen hatte oder daß ich seine Frau flachgelegt hatte. Aber er war so gar nicht umgänglich. Affektinkontinent, wie man im Psychologenjargon sagt. Ich dachte ja, wir könnten uns brüderlich den restlichen Wein teilen, aber er hatte keinen Durst. Und als er dann anfing, mir auf den Leib zu rücken, da beschloß ich, daß es an der Zeit sei, sich zu verabschieden.«
    »Was Sie nicht sagen. Wann haben Sie die Wohnung verlassen?«
    »In der Morgendämmerung, als die Lerche kam. Obwohl ich natürlich lieber in den Armen meiner Geliebten gestorben wäre, wenn dazu Gelegenheit gewesen wäre. Aber die hatte sich leider auf der Toilette eingeschlossen. ›Thus with a kiss I die‹, wie Shakespeare die Sache formuliert hätte. Ich war todmüde. Mein gequälter Körper trug meine gekränkte Seele zu einem anderen Nachtquartier. Es ist gut, wenn man Freunde in der Not hat, so daß man sein müdes Haupt auf brüderliches Wohlwollen und Verständnis betten kann.«
    »Wo haben Sie übernachtet?«
    »In Östergravar, mit Pat und Patachon. Sie können sie selbst fragen. Dieser üble Knecht dort hat uns heute morgen in die Ausnüchterungszelle geschoben.« Christoffer zeigte mit Abscheu auf Arvidsson.
    »Wenn Sie ein klein wenig Ernst an den Tag legen könnten, würde ich gern etwas über Ihren Vater erfahren, Christoffer.«
    Maria sah den Narren forschend an. Vor ihren Augen ließ er in einem kurzen Augenblick der Verletzlichkeit die Maske fallen, ehe er die Rolle wechselte und der einsichtige und verständnisvolle Sohn wurde.
    »Natürlich. Was wollen Sie wissen?«
    »Wie würden Sie Ihren Vater beschreiben?«
    »Ich weiß nicht. Es ist ziemlich komplex. Früher war er ein kräftiger und starker Mann, doch nun ist sein Stern im Sinken begriffen. Er wird wütend, wenn er nicht mehr soviel schafft wie früher, und traurig, weil niemand mehr den Wert seiner Arbeit erkennt. Wenn er wüßte, was ich in einem Sommer verdiene, dann würde er Beklemmungen kriegen. Der Wert des Menschen liegt seiner Meinung nach in der Arbeit, die er ausführt. Und Arbeit ist etwas, was man mit seinen Händen tut. Vor ein paar Jahren ist er in die Landwehr eingetreten. Ich hatte gehofft, daß ihn das etwas aufmuntern würde, denn er tut sich schwer im Umgang mit anderen. Doch auch dort hat es wohl eine Reihe von Konflikten gegeben. Er ist im Laufe der Jahre immer verärgerter und wütender geworden. Und wenn er dazu noch säuft, ist er einfach furchtbar. Es ist ein Wunder, daß meine Mutter das überhaupt aushält.«
    »Könnte er depressiv sein?«
    »Schwachheit oder Krankheit ist etwas, was er in

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