Tod im Jungfernturm
hatten.«
»Wie schmeckt es denn?« fragte Maria, während das Piepen ihres Handys anzeigte, daß sie eine SMS bekommen hatte. Wieder Krister.
»Schwer zu sagen, sehr süß, ein wenig geräuchert, ungefähr wie Bier. Wie stark es ist, merkt man erst hinterher.«
Olov, der Ritter vom Goldenen Schwert, ritt in voller Rüstung mit Schild und Lanze in die Arena. Auf der anderen Seite des Mittelbalkens kam ihm der Ritter vom Adler in gestrecktem Galopp entgegen. Rot gegen Grün. Olov landete einen Stoß auf dem Schild des anderen, und die Menge jubelte.
»Möge er verlieren! Oh, laß Olov hinfallen, ohne daß er sich etwas antut, oder laß zumindest das Pferd lahmen.« Vegas Gebet war nicht gerade christlich. Doch die Äbtissin neben ihr auf der Bank hatte nichts dagegen einzuwenden.
»Was für ein schönes Pferd, ein American Quarter. Es ist schon ärgerlich, wenn man einen Gegner verletzt, aber ein Pferd zu verletzen ist unverzeihlich. Sieh nur, wie schnell es sich bewegt, es gehorcht ihm auf den kleinsten Wink. Jetzt, seht ihr das? Da kommt der Ritter von der Waage. Und sieh mal, Birgitta steht auf und ruft.« Hartman lachte Vega an und jubelte, als Olov einen Stock auf dem blauweißen Schild plazierte.
Jetzt stand nur noch das Finale gegen den Ritter Hans von Visby aus. Vega schloß die Augen, während die Gaukler und Spielleute ihren Auftritt hatten. Sie schaute auch nicht hin, als die Kämpfer von Styringheim, dem größten Mittelalterverein von Gotland, mit Schwert und Schild die Arena betraten, um die Gäste zu unterhalten, bis es Zeit für den Höhepunkt des Turnierspiels war.
Maria begriff allmählich, daß Vegas Schweigen nicht nur mit dem Theaterspiel im Nonnenkostüm zu tun hatte. Sie war wirklich beunruhigt. Die beiden Bürgermeister, der deutsche und der gotländische, steuerten auf das Zelt des Fürsten zu und ließen sich dort im besten Einvernehmen nieder, nachdem sie sich, in Ermangelung von härteren Sachen, mit etwas Fliederbeersaft erfrischt hatten. Sie lachten laut über eine deftige Geschichte. Auch die Fürstin wurde in den Spaß mit einbezogen.
»Die Rittertugenden.« Hartman sah Vega an und las, ob sie es nun hören wollte oder nicht, laut aus der Broschüre zum Ritterturnier vor. »Als Ritter hat man ein tapferer und tüchtiger Streiter zu sein und erfahren in Kampfspielen. Achte auf dein Inneres: Vermeide alles, was gemein und häßlich ist. Sprich nicht schlecht von anderen. Sei nicht hochfahrend. Achte auf dein Äußeres: Denke an deine Sprache. Verhalte dich nie gedankenlos und unbeherrscht. Benimm dich bei Tisch. Vergiß nicht deine Pflichten gegenüber der Kirche und deinem Fürsten. Sei großzügig zu den Schutzlosen und den Bedürftigen, zu Witwen und vaterlosen Kindern. Sei höflich zu den Frauen. Um ihre Gunst zu gewinnen, sollst du dein Leben in einem ehrenvollen Kampf aufs Spiel setzen.«
Zu beiden Seiten der Rennbahn, die durch einen Balken getrennt war, standen der Ritter Hans von Visby und der Ritter vom Goldenen Schwert zum Kampf bereit. Olov sah seine Mutter im Publikum, wie sie klein und zusammenkauert dasaß, daneben ihr Nachbar Henrik. Olov freute sich.
Auf ein Signal hin senkten die Ritter ihre zehn Fuß langen Lanzen und stürzten aufeinander los. Das Publikum hielt den Atem an. Der Fahrtwind flatterte in Schabracken und Mänteln, und der Boden erbebte von den galoppierenden Hufen. Die beiden Ritter stießen zusammen, und der Ritter Hans von Visby fiel aus dem Sattel. Die Volksmenge erhob sich, manche klagend, die meisten jubelnd. Maria sah Vega an und folgte ihrem Blick. Sie war ganz weiß und fixierte irgend etwas hinten bei der Waldlichtung. Irgend jemanden. Maria lieh sich Hartmans Fernglas aus und stellte es scharf. Dort zwischen den Bäumen, halb hinter einem Stamm verborgen, stand Arne Folhammar, dessen Vortrag sie im Museum gehört hatten. Sein Gesicht war zur Arena gewandt.
Unter Jubel und Hurrarufen nahm der Ritter vom Goldenen Schwert den Siegerkranz aus der Hand des Fürsten in Empfang, setzte ihn dann auf den Kopf seines Fräuleins und hob sie vor sich in den Sattel. Der Gewandheit nach zu schließen, mit der sie das taten, ritten sie nicht zum ersten Mal gemeinsam. Lächelnd grüßten sie das Volk und dankten für die Huldigung. Während der Ehrenrunde suchte Olov seine Mutter, aber sie saß nicht mehr auf ihrem Platz neben Henrik, und unten an der Absperrung konnte er sie auch nicht entdecken.
22
Der Augustabend war dunkel, und der Wind, der
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