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Tod im Jungfernturm

Tod im Jungfernturm

Titel: Tod im Jungfernturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Jansson
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mittelalterliche Schatz, den man je in Nordeuropa gefunden hat. Eine Schale aus diesem Schatz trägt die Inschrift ›Simon hat mich gemacht‹. Und auf einer der Schließen kann man lesen: ›Ich gehöre dem dicken Kaufmann‹. Auf diesem Schmückstück ist zudem eine magische Formel in Runen eingeritzt.«
    »Wo ist denn das Schmuckstück?« fragte der Junge und zeigte seine Zahnlücke, während er unentwegt auf einem Bein herumhüpfte. Arne wurde schon vom Zusehen ganz erschöpft.
    »In Stockholm.«
    »Warum nicht hier?«
    »Gute Frage. Wir hätten es auch gerne hier, aber das ist eben so. Was für das ganze Land von Interesse ist, wird in der Hauptstadt aufbewahrt.«
    »Wenn das mein Schatz wäre, dann hätte ich ihn vergraben.« Ein Moment der Sympathie und des Einverständnisses. Arne zauste dem Jungen das Haar.
    »Ich auch«, sagte er.
    »Warum haben sie damals die Schätze eingegraben?« fragte Rasmus, stellte sich breitbeinig hin und hüpfte mit beiden Füßen gleichzeitig vorwärts, blieb dann auf Arnes Füßen stehen und packte ihn am Jackett, um das Gleichgewicht halten zu können.
    »In der Wikingerzeit grub man einen Schatz ein, wenn die Zeiten unruhig waren. Einige haben ihn eingegraben, wenn sie auf einen Wikingerzug gingen. Manche von ihnen kamen nie wieder nach Hause, und der Schatz wurde in der Erde vergessen. Vielleicht dachten sie, daß sie ihn mit in ihr nächstes Leben nehmen könnten. Manchmal sparte man auch Silber, um sich eine Braut kaufen zu können.«
    »Konnte man sich damals Menschen kaufen?« fragte der jüngere der beiden.
    »Das kann man immer noch«, murmelte Arne. »Wir können nur Vermutungen anstellen, warum sie das Silber eingegraben haben. Es wird auch erzählt, daß man ein lebendiges Tier mit dem Schatz begrub, das dann zu einem Drachen wurde, der den Schatz bewachte. Wer einen Schatz versteckte, der umgab ihn mit Sprüchen und Zauberliedern.«
    »Wie ein böser Fluch, oder was?«
    »Genau, und mehr darüber kann man im Beowulf lesen.«

    Es war Zeit zum Mittagessen. Arne wechselte ein paar Worte mit dem Mädchen am Empfang. Sie war schon ein paar Monate lang als Vertretung da, aber er hatte es noch nicht geschafft, sich ihren Namen zu merken. Bis zu seiner Wohnung mußte er nur fünf Minuten laufen, und doch meinte er, gar nicht schnell genug nach Hause kommen zu können.
    Auf der Strandgatan drängten sich Menschen in mittelalterlicher Kleidung neben Touristen in Shorts. Arne lief einem Athleten in die Arme, der einen kleinen Narren auf den Schultern hatte, ehe er in die Dubbesgränd abbog. Seine Eingeweide schmerzten. Er hätte sich etwas zu essen kaufen sollen, aber die Unruhe hatte ihn den Hunger vergessen lassen.
    Er nahm mehrere Stufen auf einmal. In der Wohnung war es ganz still. Er schloß auf und öffnete die Tür zur Toilette. Sie schlief mit ausgestreckten Armen auf dem Rücken, wie ein kleines Kind. Das hatte er früher schon einmal bemerkt und sich gewundert. Jetzt wachte sie auf und lächelte ihn an.
    Ein einziger Moment, in dem alles so war wie immer, ehe ihr das, was geschehen war, wieder einfiel. Er hätte sein Leben dafür gegeben, in diesem Augenblick verharren zu dürfen. In genau diesem Augenblick. Jetzt, da die Nacht in ihrer Erinnerung wieder auferstand, sah er die unvermeidliche Verwandlung in ihrem Gesicht. Er wollte sich entschuldigen, sagen, daß es ihm schrecklich leid tat und daß er nie wieder … Aber Gefühle waren nie sein Ding gewesen, da hatte seine Sprache ihn immer im Stich gelassen, wenn er sie so dringend gebraucht hatte. Jetzt wartete er darauf, daß sie zuerst etwas sagte. Er sah unverwandt auf ihren Mund, als könnte er ihn mit seinem Willen zum Reden bringen. Es gibt keine Worte, die schlimmer sind als das Schweigen.
    »Es hat wehgetan«, sagte sie. Er nahm sich ein Herz, setzte sich neben sie und half ihr auf. Er umarmte sie, und sie entzog sich nicht. Sie saß noch da, und er wagte ein wenig zu hoffen, daß … vielleicht … Nein, was er getan hatte, war unverzeihlich. Er wechselte zwischen Liebe und Angst hin und her. Das Gefühl, beschuldigt zu werden, ohne sich verteidigen zu können, rief wieder den Zorn auf den Plan und den Wunsch, sie erneut einzuschließen. Er berührte ihre Wange, und sie drehte sich abrupt zu ihm um.
    »Wie konntest du das nur tun? Ich dachte, wir wären einer Meinung.«
    Er sah die blauen Adern an ihrem Hals und ihrer Wange. Er hatte schon das Brautkleid mit dem tiefen Ausschnitt auf dem Umschlag der

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