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Tod im Jungfernturm

Tod im Jungfernturm

Titel: Tod im Jungfernturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Jansson
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glattes Gesicht, heute ist es genau umgekehrt. Glatter Rock und Falten im Gesicht. Aber man muß schließlich alt werden, um die Zukunft erleben zu können. Wenn ich mit Hut nicht wie ein abgebissener Daumennagel aussehen würde, fände ich das ja ganz elegant. Und in die Volkstracht passe ich nicht mehr rein.«
    »Ich habe gehört, die Hochzeit sei verschoben worden.«
    »Ja, es wird statt dessen der nächste Samstag. Es war unglaubliches Glück, daß man die Reservierung in ›Fridhems Pension‹ ändern konnte.«
    »Was ist denn passiert?« fragte Maria.
    »Offiziell hat Birgitta die Grippe. Aber ich glaube, es ist etwas Schlimmeres. Sie will nicht darüber reden. Ich glaube, daß sie auf einmal unsicher geworden ist, und jetzt haben alle schon die Geschenke gekauft, das Lokal ist gemietet, und das Brautkleid ist fertig. Das ist nicht ganz leicht. Ich mache mir solche Sorgen um sie. Als sie klein war, hat sie mir alles erzählt, sie war immer sehr offen. Aber jetzt schweigt sie. Sie geht nicht mal ans Telefon.«
    »Da verstehe ich, daß Sie sich wundern.«
    »Ich habe von ihrer Mutter gehört, daß sie heute abend in den ›Gutekällaren‹ geht. Ein altes Weib wie ich kann sich ja wohl kaum in der Disco blicken lassen, aber ich dachte, daß Sie vielleicht … ich würde Ihnen auch den Eintritt zahlen. Wissen Sie, es würde mir soviel bedeuten, etwas von ihr zu hören. Ja, ich weiß, daß ich eine alberne Gans bin.« Vega rang die Hände im Schoß und sah Maria flehend an. »Bitte.«

    Der Abend war noch jung, und Maria schlenderte zusammen mit Arvidsson und Ek durch die Gassen von Visby. Auf der Strandgatan war ein wahrer Volksauflauf. Maria blieb vor der Alten Apotheke stehen, um zwei Kinderwagen nebeneinander durchzulassen. Man konnte sich leicht ins Mittelalter zurückversetzen. Vor ihrem inneren Auge sah sie den Nachtwächter, der mit der Pechfackel in der Hand ausrief, daß es zwölf Uhr sei. Ein Mönch mit ins Gesicht gezogener Kapuze eilte vorbei. Es roch nach frischem Brot.
    »Warum haben sie früher Häuser mit Treppengiebeln gebaut?« fragte sie.
    »Ich glaube, um das Risiko eines Großbrandes zu verringern«, sagte Arvidsson. »Die Alte Apotheke war ein Speicher, also ein Lagerhaus. Ein Brand dort hätte großen wirtschaftlichen Schaden verursacht. Ein interessantes Bauwerk.«
    »Ich denke, ich werde mir im ›Gutekällaren‹ ein dreigängiges Menü gönnen«, sagte Ek, der nicht so kulturbeflissen war.
    »Vielleicht sollten wir uns mal dorthin begeben.«
    »Hast du das Burmeistersche Haus gesehen, an dem wir eben vorbeigekommen sind?« fragte Arvidsson und wandte sich Maria zu. »Die Wandmalereien in dem Haus sind wirklich einzigartig. Sie sind von dem berühmten Maler Johan …«
    »Ich nehme mal an, daß sie im ›Gutekällaren‹ auch Gotlandsdricka haben«, unterbrach ihn Ek und erntete einen warnenden Blick von Arvidsson. Was tat man nicht alles, um sich einen Vortrag in Kulturgeschichte zu ersparen?
    Birgitta saß allein an einem Tisch mit einem Glas Bier vor sich. Maria bedeutete ihren Kollegen, Abstand zu halten, und ging hin. Der Platz gegenüber von Birgitta war noch frei, und Maria setzte sich. Der Mann am Nebentisch, der gerade aufstehen wollte, als Maria kam, unternahm einen erneuten Versuch, sich hinzustellen. Er war groß und schlank und schwankte beträchtlich mit dem Oberkörper. Dann beugte er sich über den Tisch und streckte den Hals vor, so daß sein Schlips den Schaum von Birgittas Bierglas fegte.
    »Kennen wir uns nicht?« fragte er und versuchte, Birgitta mit dem Blick zu fixieren.
    »Warum?« fragte sie genervt.
    »Ein süßes Gesicht vergißt man nicht. Darf ich mich zu euch setzen?«
    »Nein.«
    »Wo arbeitest du? Ich denke doch, wir kennen uns. Du hast süße Titten.«
    »Sie arbeitet auf der Station für venerische Krankheiten«, sagte Maria.
    »Was’n das?«
    »Das kriegt man, wenn man seinen Schlips naß macht. Und jetzt lassen Sie uns bitte in Ruhe.«
    Birgitta warf Maria einen dankbaren Blick zu.
    »Die können echt nerven.«
    »Trial and error, meistens jedoch error. Der bräuchte mal einen Grundkurs im Anbaggern mit Menschenkenntnis.«
    Maria bestellte sich ein Glas Weißwein und einen Salat.
    »Er müßte mal ausgenüchtert werden. Wahrscheinlich macht der sonst nicht mal den Mund auf. Ich kenne diese Sorte. Sie sind Polizistin, nicht wahr?«
    »Ja, ich habe hier auf Gotland eine Sommervertretung übernommen. Eigentlich war es geplant, daß meine Familie mitkommen

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