Tod im Jungfernturm
würde. Aber daraus ist nichts geworden.«
»Beziehungsprobleme? Trennungsgedanken?«
Maria sah Birgitta bestürzt an, ehe sie die Fassung wiedererlangte.
»Vielleicht«, gab sie zu. »Manchmal ist es ganz gut, wenn man eine Weile voneinander loskommt und darüber nachdenkt, was man eigentlich will. Was man mit seiner Beziehung will. Was es einen kosten darf. Ich habe in diesen Wochen viel nachgedacht. So eine Auszeit zum Nachdenken ist ganz gut.«
»Lieben Sie ihn?« fragte Birgitta mit neu erwachtem Interesse.
»Ja, ich denke schon. Obwohl ich immer enttäuscht bin, wenn er zunächst an sich selbst und dann erst an die Familie denkt. Es ist nicht sonderlich leicht, mit ihm zusammenzuleben. Ich glaube, daß er mich auch liebt, aber seine Freiheit liebt er noch mehr«, sagte Maria mit einer Aufrichtigkeit, die sie selbst erstaunte.
»Vielleicht bin ich auch so jemand.« Birgitta drehte ihr Bierglas herum und trank einen Schluck, ehe sie weiterredete. »Ich glaube, ich brauche mehr Freiheit, als Arne mir geben kann.«
»Wie meinen Sie das?«
»Er läßt mich keine männlichen Freunde haben. Er ruft meine Freunde an, um zu kontrollieren, ob ich auch da war, wo ich gesagt habe. Manchmal taucht er auch einfach auf, obwohl er bei der Arbeit sein sollte. Wenn ich versuche, mit ihm darüber zu reden, dann schweigt er.«
»Ihr Bedürfnis nach Freiheit ist aber ganz entschieden anders als das von Krister.« Maria stützte den Kopf in die Hände.
»Mein Mann will Freiheit von der Verantwortung, die Freiheit, seinen Impulsen nachzugeben, und die Freiheit, kommen und gehen zu können, wie er will. Was Sie von Ihrer Beziehung erzählen, klingt nach übertriebener Eifersucht. Haben Sie deshalb die Hochzeit verschoben?« Maria hielt den Atem an. Vielleicht ging sie etwas zu forsch vor.
»Hat Vega das gesagt?«
»Sie denkt viel an Sie. Hat sie recht?«
»Es ist nicht nur das.« Birgitta biß sich auf die Unterlippe und sah zu Boden. »Da gibt es noch viel mehr. Ich war früher mit Olov zusammen. Vor ein paar Tagen habe ich erfahren, daß Olov und Arne Halbbrüder sind. Wäre es nicht mein gutes Recht gewesen, das schon früher zu wissen? Ich weiß nicht, warum es so wichtig ist, aber es irritiert mich. Ich bin verwirrt. Eigentlich meinte ich, Arne zu kennen, aber jetzt weiß ich gar nichts mehr. Das ist wirklich eine komische Familie, wissen Sie. Vorige Woche habe ich Olov auf dem Ritterturnier getroffen. Er war irgendwie anders, fröhlicher und gesprächiger. Fast so wie damals, als wir uns kennenlernten. Er erzählte mir, daß er ziemlich fertig gewesen sei. Und zwar so richtig, eine Depression. Als wir zusammenwaren, habe ich das nicht kapiert. Er war einfach nur schweigsam und grüblerisch geworden. Oft hat er sich bewußtlos gesoffen und ist dann eingeschlafen, ehe wir reden konnten. Ich dachte, mit mir wäre etwas nicht in Ordnung und er würde mich nicht mehr lieben.«
»Und was werden Sie jetzt machen?«
»Ich weiß nicht. Das mit Wilhelm ist alles so schrecklich. Arne muß über vieles nachdenken, er ist unruhig und gereizt. Es gab so vieles, was er Wilhelm noch hatte sagen wollen, aber jetzt hat er keine Gelegenheit mehr dazu. Wir hätten sowieso auf keinen Fall vor der Beerdigung heiraten können, und bei dem ganzen Schrecklichen ist es doch eine Erleichterung, diese Schonfrist zu bekommen.«
»Wie gut kannten Sie Wilhelm?«
Birgitta ließ den Blick aus dem Fenster schweifen.
»Er hat mich wie seine eigene Tochter behandelt. Wir hatten einen sehr engen Kontakt. Anfangs war er etwas scheu, aber dann hat er sich immer mehr geöffnet. Er konnte richtig witzig sein. Wir haben den Kontakt auch noch aufrechterhalten, nachdem ich mit Olov Schluß gemacht hatte. Natürlich war er traurig, daß es so gelaufen war, aber er sagte: ›Warum etwas Schlimmes noch schlimmer machen?‹«
»Wann haben Sie zum letzten Mal mit ihm gesprochen?«
»Wir haben an dem Abend, bevor er mit der Fähre zum Festland fahren wollte, telefoniert.«
»Hat er etwas Besonderes gesagt?«
»Er wollte raus und angeln. Den ganzen Tag hatte er im Büro verbracht und mußte jetzt mal in die Freiheit hinaus.«
»Sind Sie ganz sicher? Daß er am Abend angeln gehen wollte?«
»Ja. Er brauchte die Ruhe zum Nachdenken. Ich glaube, daß er erwogen hat, den Hof zu verkaufen und Mona auszulösen. ›Es fühlt sich an, als würde man mit einer Leiche schlafen‹, sagte er einmal zu mir, als wir beim Pilzesuchen waren und ich ihn fragte, wie sie es
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