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Tod im Jungfernturm

Tod im Jungfernturm

Titel: Tod im Jungfernturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Jansson
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hatte sie ebenso angetrieben wie die Suche nach einem Symbol für das Weibliche und Alltagsverbundene. Aus dem Frauenmantel konnten Jungfrauen ein Gebräu kochen, um ihre Unschuld zu bewahren, ältere Frauen konnten sich damit einreiben, um keine Hängebrüste zu bekommen. Es war auch gut gegen Wechseljahrsbeschwerden und unreine Haut. Später lernte sie, daß der kleine Tropfen mitten im Frauenmantel keineswegs Tau war. Die Pflanze schwitzte ihren Überschuß an Feuchtigkeit aus, man nannte das Guttation. So wurde aus dem Jungfrauenkraut eine verschwitzte Pflanze. Wohin verschwanden nur immer die schönen Märchen? Alles, was man sich wünschte und erträumte?
    Birgitta erhob sich schwerfällig und zog eine Kiste ins Licht. Sie öffnete den Deckel und betrachtete das Silber, das sie von Wilhelm bekommen hatte. Es waren in der Hauptsache Silbermünzen, aber auch Broschen und Gehänge, Armreifen und Spangen. Sie nahm ein Stück Silber und erwärmte es im Schmelztiegel auf dem Gaskocher. Feinsilber, weich und leicht zu bearbeiten. Zunächst hatte sie vorgehabt, es nach eigenen Modellen umzuarbeiten, aber dazu hätte sie das Silber in die Schmelze geben müssen, um die Luft aus dem Metall zu bekommen. Das hätte Mißtrauen erregt und war deshalb ausgeschlossen. Doch die Ausrüstung, um selbst zu schmelzen, war teuer gewesen. Deshalb brauchte sie schnell Geld, um die Rechnungen des Werkzeugmachers zu bezahlen. Sie hatte beschlossen, Wilhelms Silber auszuwalzen und zu Ringen, Ohrschmuck und Armreifen zu verarbeiten. Sie hatte selbst die Muster gezeichnet, eine Ranke mit Rosen, Efeu und Schlangen. Leicht zu verkaufen. Der Werkzeugmacher hatte keine Fragen gestellt, als sie ihre Musterwalze bestellt hatte. Sie war eine registrierte Herstellerin und achtete immer darauf, daß ihre Produkte mit Signatur, Ort, Jahr und Silbergehalt gestempelt wurden. Für ihre künstlerische Arbeit bestellte sie Platten und Drähte aus der Schmelze, aber für den Schmuck, den sie auf dem Marktplatz verkaufte, mußten Wilhelm Silberstücke genügen.
    Warum ging sie ein solches Risiko ein? Alles war so schnell gegangen, sie hatte gar nicht richtig darüber nachdenken können. Das Silber, das Wilhelm ihr geschenkt hatte, hätte eigentlich als Erbe auf Christoffer übergehen sollen. Vom Vater zum Sohn, wie es seit Generationen geschehen war. Wilhelms Großvater und sein Bruder hatten die Silbermünzen in einem Tontopf gefunden, als sie in Eksta einen Graben gegraben hatten.
    Es war nichts Ungewöhnliches, einzelne Münzen in der Erde zu finden. Aber das war nur der Anfang gewesen. Der Fund war viel größer, als sie zu träumen gewagt hatten. Als der alte Jacobsson mit dem Schatz allein übriggeblieben war, brachte er ihn ins Moor von Martebo in ein Schluckloch, wo es auf halbem Weg nach unten einen stabilen Absatz gab. Dort richtete er sich eine Schmelze ein und schmolz das Silber Stück für Stück hin, so daß man es verkaufen konnte, ohne daß einem zu viele Fragen gestellt wurden.
    Natürlich kam es vor, daß jemand das Licht sah, das sich mit dem Rauch vom Feuer unten in der Schmelze einen Weg nach oben bahnte. Ein Leuchten, das in einer seltsamen Lichtkonstellation draußen auf dem Moor sichtbar wurde. Mit den Gerüchten und Schreckschüssen unterschiedlichen Kalibers hielt man Neugierige und Uneingeweihte fern. Die Irrlichter und Kugelblitze, von denen die Leute tuschelten, stammten eigentlich vom »Drachen Jacobsson«, der seinen Schatz vor Unbefugten schützte.
    Wilhelm hatte gelacht, als er ihr die Geschichte erzählt hatte, wie Oskar Jacobsson Magnesium angezündet hatte, um die Leute, die auf dem nahe gelegenen Knutstorp wohnten, so zu erschrecken, daß sie flohen. Als das nichts genützt hatte, hatte er sich Nasenblut ins Gesicht geschmiert, sein Haar zu Hörnern geformt und in der Dämmerung durch eines ihrer Fenster geschaut. Das hatte gereicht. Seit jenem Tag stand der Hof verlassen da.
    Christoffer war nach Wilhelms Meinung des Schatzes nicht würdig gewesen. In seiner Enttäuschung hatte er Birgitta das Silber überlassen, doch wo genau der Schatz jetzt lag, das hatte er mit in die Ewigkeit genommen. Irgendwo im Moor von Martebo, in einem Schluckloch mit einer Leiter zu den unterirdischen Gängen, hatte er gesagt und ihr das Gedicht vorgelesen. Sie konnte sich nicht mehr ganz daran erinnern, aber das, was sie noch wußte, jagte ihr einen Schauer über den Rücken.

    … alles, was die Träume versprechen,
    alles, was der Glanz

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