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Tod im Jungfernturm

Tod im Jungfernturm

Titel: Tod im Jungfernturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Jansson
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fielen über das entwässerte Moor, über den Wald und die Wege, die neben den Kanälen herliefen.
    »Da hinten am Ende des Weges haben sie das Licht gesehen.« Maria wartete auf Arvidsson und zeigte nach vorn.
    »Fühlt sich irgendwie gruselig an. Ich weiß nicht, warum, ist nur so ein Gefühl.«
    »Geister, die nicht zur Ruhe kommen«, lächelte Arvidsson und unterdrückte den Impuls, den Arm um sie zu legen.
    Sie klopften an die Tür von Olov Jacobsson, doch niemand öffnete. Es war ganz still. Sie klopften erneut, und der Laut hallte in ihren Ohren wider.
    Maria ging halb um das Haus und schaute durch das Erkerfenster. Die Wände hingen voller Fotografien. Naturfotos in Riesenvergrößerung, auf den meisten war Birgittas Gesicht zu sehen. Sie war es ohne Zweifel, ob sie nun eine Strickmütze bis über die Ohren gezogen hatte oder barfuß im weißen Kleid auf einer Klippe tanzte, so daß das lange, blonde Haar im Wind flatterte. Es war wie eine ganze Ausstellung ihr zu Ehren. Auf der größten Fotografie, direkt über der Anrichte, trug sie nur Efeu, bekleidet und gleichzeitig unbekleidet.
    »Warum läßt er das alles hängen, wenn doch Schluß ist?« fragte Arvidsson. Maria hörte ihn nicht, sie war schon beim Gewächshaus.
    »Er scheint nicht zu Hause zu sein«, sagte Maria, als sie auch im Stall nachgeschaut hatte. »Dann sollten wir wohl gehen.«

    Aus der Ferne sahen sie Ek auf sich zukommen. Er hatte einen seltsamen Gesichtsausdruck.
    »Es war schon etwas unheimlich, allein im Auto zu sitzen. Natürlich gibt es keine Geister und so was, aber man ist doch völlig schutzlos, wenn einen hier in der Dunkelheit jemand überfallen will.«
    Maria lachte und nahm ihn in den Arm.
    »Ehrlich? Olov war nicht zu Hause, also geht es weiter nach Visby.«
    Sie tasteten sich in der Dunkelheit zum Auto. Ek setzte sich ans Steuer. Wenn einer von ihnen sich in diesem Moment umgedreht hätte, hätte er vielleicht ein weißes Kleid zwischen den dunklen Baumstämmen oder im Dickicht bei Knutstorp helle Haare aufleuchten sehen.

36
    Die Orgelmusik rauschte wie ein Wasserfall von der Empore in der Kirche von Eksta. Maria ließ den Blick über die weißgekalkten Wände gleiten, vom Kruzifix zu den Figuren an der Kanzel mit Jakob, dem Menschenfischer, der einen Südwester aus Gold trug. Jede Zeit hatte ihre eigenen Interpretationen und Darstellungen der Geschichte der Christenheit. Als Jesus seine Apostel zusammenrief, war die Goretexjacke noch nicht erfunden, geschweige denn in südlichere Regionen exportiert. Und doch erfüllte das Attribut seine Funktion, denn es herrschte kein Zweifel darüber, daß er ein Fischer war. Vega bedankte sich, daß Maria sie mitgenommen hatte. Noch ehe sie den Gang weiter hinaufgehen konnten, hatte Birgitta Marias Arm gepackt.
    »Ich muß mit Ihnen reden. Können wir uns morgen abend um neun Uhr bei mir zu Hause treffen? Bitte, es ist wichtig.«
    Sie steckte Maria ihre Visitenkarte zu, und Maria flüsterte: »Haben Sie nicht heute abend nach der Beerdigung Zeit?«
    »Nein, da kann ich nicht.« Birgitta sah sich ängstlich um und lächelte Vega zu, die sie nicht aus den Augen ließ.
    »Dann komme ich morgen.« Sagen Sie mir doch einfach, wovor sie solche Angst haben, hätte Maria gern hinzugefügt. Sie trat beiseite und ließ andere Besucher durch. Ganz vorn saß Mona mit Olov und Christoffer. Maria hatte sich schon gefragt, ob Arne wohl auch kommen würde, aber sie konnte ihn nicht entdecken, obwohl sie sich mehrmals diskret umsah.
    Es waren nicht viele Menschen, die sich an jenem Sommertag in der Kirche von Eksta versammelt hatten. Die Worte des Pfarrers hallten zwischen den leeren Bankreihen. »Wo dein Schatz ist, da wird auch dein Herz sein.« Ganz hinten saß Henrik Dune mit den Kameraden von der Landwehr. Maria erkannte Anders Öhrn und grüßte. Neben ihm saß eine Frau, bestimmt Iris, die ihn dazu drängte, mit dem Rauchen aufzuhören. Sie sah ein wenig verbiestert aus.
    Die Sonne strömte über den Friedhof, als sie hinausgingen, um Wilhelm Jacobsson zur letzten Ruhe zu betten. In der nur durch das Knirschen der Schritte auf dem Kiesweg durchbrochenen Stille ließ sich ein fröhliches Vogelgezwitscher vernehmen. Ruhig, fast würdevoll raschelte es im Laub der Kastanie.
    Mona ging vorneweg. Sie sah so klein und mager aus in ihrem schwarzen, langen Kleid. Auf den weißen Wangen brannten rote Fieberflecken. Das Haar war in einem strengen Knoten zusammengebunden und mit einem schmalen, schwarzen

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