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Tod im Jungfernturm

Tod im Jungfernturm

Titel: Tod im Jungfernturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Jansson
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recht, dachte Maria und ließ die feinen Sandkörner durch die Hände rinnen. Wieviel Spaß hätten Emil und Linda in den Wellen, wenn sie jetzt hier wären. Maria sehnte sich sehr nach ihren Kindern. Hier gäbe es so vieles, was sie ihnen zeigen könnte: das Flugsandfeld im Naturschutzgebiet von Ulla Hau mit seinen Ameisenlöwen, die in ihren Fanggruben auf die Ameisen warteten. Schafe mit gedrehten Hörnern, die auf dem kargen Land grasten. Die berühmten Raukar, Kalksteinklippen, auf die man klettern konnte, und Felder mit blauem Natterkopf, in denen man nach Herzenslust herumrennen konnte. Was verpaßten die Kinder nicht alles, nur weil ihre Schwiegermutter so eine Egoistin war.
    Ein freier Tag, ein einziger. Der Himmel war blaßblau und das Wasser ein paar Nuancen dunkler. Die Sonne lächelte ihr wärmstes Lächeln und schien auf Gut und Böse herab, wenn auch mit unterschiedlichem Erfolg. Arvidsson ließ sich davon nicht beeindrucken. Er saß mürrisch und sonnenverbrannt mit T-Shirt unter einem Sonnenschirm und las »Der Prozeß« von Kafka. Maria hatte das Gefühl, als sehe er ab und an verstohlen zu ihr herüber, und schämte sich wegen der Speckfalten auf ihrem Bauch. Eigentlich hatte sie dasitzen und übers Meer schauen wollen, aber man konnte die Schwimmringe um den Bauch besser verbergen, wenn man gerade auf dem Rücken oder noch besser auf dem Bauch lag. Deshalb lag sie nun auf dem Bauch.
    Bei Vega Kraft zu wohnen war unvereinbar mit Abnehmen, das war schon mal klar. Die Frage war nur, ob es überhaupt irgendwelche Vergnügungen gab, die nicht gleichzeitig zur Aufnahme von Nahrungsmitteln verleiteten. Kino … Süßigkeiten. Ausflug … Proviant. Tanzen … ein Bier oder zwei. Es war hoffnungslos. Was half schon der eine oder andere Salat, wenn man im nächsten Augenblick von Schokoladensucht heimgesucht wurde. Einmal schokoladensüchtig, immer schokoladensüchtig, und dann gab es auch noch Vegas Kuchen.
    Mißmutig robbte Maria zum Korb und nahm eine Rolle Schokoladenkekse heraus. Es ist schon übel, wenn das Laster und der Trost darüber identisch sind, dachte sie und drückte sich den ganzen Keks in den Mund.
    Ek hatte schon eine neue Spielkameradin gefunden. Er saß zwei Decken weiter und cremte einer gertenschlanken Blondine den Rücken ein. Paß bloß auf, daß du dich nicht schneidest, dachte Maria säuerlich. Niemand wußte, wohin die Akupunkteurin, die er im »Gutekällaren« abgeschleppt hatte, verschwunden war. Ek hatte nicht darüber sprechen wollen. Jetzt zündete er sich eine Zigarette an. Das mit der Nikotinentwöhnung war wohl doch zu heftig für ihn gewesen.
    Maria verspürte eine Hand auf ihrer Schulter. Arvidsson reichte ihr ein Eis.
    »Wenn ich es recht verstanden habe, dein Lieblingseis.« Er hatte vollkommen recht. Knackige Schokolade, Milcheis und Nüsse. Das Leben war doch nicht so übel. Maria setzte sich hin, die Rettungsringe waren ihr auf einmal ganz egal. Es war einfach anstrengend, auf dem Bauch zu liegen und Eis zu essen.
    Arvidsson setzte sich neben sie auf die Decke. »Hast du Heimweh?« fragte er.
    »Ja und nein. Ich habe natürlich Sehnsucht nach meinen Kindern.«
    »Und nach deinem Mann?« fragte Arvidsson und sah übers Meer. Maria dachte einen Augenblick nach. Gab der Wut Raum und drängte sie dann wieder zurück.
    »Ich weiß es nicht«, sagte sie. »Das ist es, was ich mit ja und nein meine.«
    Im Sonnenuntergang fuhren sie mit der Fähre zurück über den Fårösund. Plötzlich hatte Maria eine Idee.
    »Ich würde gern mal das Moor von Martebo anschauen«, sagte sie, als sie wieder auf Gotland waren. »Können wir an der Küste entlang nach Visby fahren?«
    »Willst du dir ansehen, wo Olov Jacobsson wohnt?«
    »Unter anderem.«

    Schon aus weiter Entfernung konnte man das Treibhaus und die Weide mit den Pferden sehen. Das Wohnhaus selbst war recht schlicht und von Fliederbüschen umgeben.
    »Willst du reingehen und mit ihm reden?« fragte Arvidsson.
    »Ja, wenn er zu Hause ist«, erwiderte Maria und stieg aus dem Auto. Sie zog den Reißverschluß ihrer dünnen Jacke hoch. Sowie die Sonne nachließ, wurde es kühl.
    »Im Giebel ist Licht. Kommst du mit, Ek?«
    »Was?« Arvidsson lehnte sich nach hinten, wo Ek mit seinem Walkman saß, und zog ihm einen der Ohrstecker raus.
    »Kommst du mit?« fragte er in verärgertem Ton.
    »Nein, ich bleibe hier sitzen.« Ek sah aus, als könnte er jeden Moment einschlafen.
    Maria ging auf das Haus zu. Die letzten Sonnenstrahlen

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