Tod im Koog - Hinterm-Deich-Krimi
Autodach
Kopfbeulen bescherte.
Wenig später hatten sie den Ortseingang Hattstedts erreicht.
Urlauber schätzen den ruhigen Ferienort in Nordseenähe, während Musikliebhaber
ihn als Heimat des Spielmannszugs kennen, der schon viele internationale Preise
in die Marsch heimgeholt hat. Vielleicht wissen Kölner, dass die hier
beheimateten »Hardcorefriesen« sich mit einem Wagen ihres Karnevalsvereins am
Kölner Rosenmontagszug beteiligen. Die über fünfhundert Jahre alte Marienkirche
mit ihrem weit über die Marsch hinausragenden Kirchturm kennen sicher weniger
Menschen als den Kölner Dom, den ausländische Gäste als das bekannteste Bauwerk
Deutschlands bezeichnen.
Christoph bog kurz hinter der Tankstelle in die Straße »Siede
Hattstedt« ab, eine schmale Straße mit einem wunderbaren alten Baumbestand. Sie
führte direkt in das Neubaugebiet »Wiedeblick«. Wie auf einem Präsentierteller
waren hier auf engem Raum zahlreiche Neubauten entstanden, die sich mit ihrer
architektonischen Vielfalt wohltuend von der uniformen Bauweise manch anderer
neuer Wohngebiete unterschieden. Christoph empfand es als spannend,
nebeneinander Häuser aus unterschiedlichen Materialien bis hin zum schwedischen
Holzhaus, das ihn an Astrid Lindgrens Bullerbü erinnerte, zu sehen. Bei vielen
Grundstücken waren noch keine Außenanlagen hergerichtet. Das traf auch auf ihr
Ziel zu. Der rote Passat stand auf dem nackten Erdreich vor dem Haus. »Ich bin
ein Alternativer«, las Christoph von einem Aufkleber ab, der am Heck klebte und
den ein großes Windrad zierte.
Unter dem Klingelknopf war ein schlichtes Messingschild befestigt:
»Bunge«. Deutlich war die Türglocke im Hausinneren zu hören, als Christoph die
Klingel betätigte. Nichts rührte sich. Er versuchte es erneut. Es tat sich
immer noch nichts.
»Vielleicht ist der Mann noch arbeiten«, überlegte Große Jäger laut.
Christoph sah sich um. Aus dem Nachbarhaus war ein älterer Mann
herausgetreten. Er neigte zu einer gemütlichen Rundlichkeit und nickte
freundlich in Richtung der beiden Polizisten.
»Wissen Sie, ob Herr Bunge zu Hause ist?«, fragte Christoph. Der
Mann legte die Hand hinters Ohr, rückte die Brille ein wenig zurecht und kam
näher.
Christoph wiederholte seine Frage.
»Eigentlich schon«, sagte der Mann. Christoph schätzte ihn auf Ende
sechzig, vielleicht ein wenig älter. »Ich meine, er wäre heute Morgen von der
Arbeit gekommen. Vielleicht schläft er, bis seine Frau heimkommt. Probieren Sie
es noch einmal.«
Als Christoph erneut auf den Klingelknopf drückte, empfahl der
Nachbar: »Halten Sie den Knopf ruhig etwas länger fest.«
Der Tipp war hilfreich. Nach einer guten Minute öffnete sich die
Haustür, und ein mittelgroßer Endvierziger erschien. Er blinzelte verschlafen
gegen die Sonne, entdeckte den Nachbarn und warf ihm ein »Moin, Lothar« zu.
Dann musterte er die beiden Beamten.
»Herr Bunge?«
Er bestätigte es.
»Wir sind von der Polizei. Dürfen wir reinkommen?«
Bunge sah sie irritiert an. »Ja«, stammelte er. »Kommen Sie.« Er
führte sie ins Wohnzimmer, das mit hellen Holzdielen ausgelegt war. Die
Möblierung erschien auf den ersten Blick spärlich. Doch der Schein trog. Der
Raum war nicht überfrachtet, sondern mit Liebe und Fingerspitzengefühl
geschmackvoll eingerichtet. Anstelle eines Sofas waren vier bequem aussehende
Sessel um einen niedrigen runden Holztisch gruppiert und auf den großen
Flachbildfernseher ausgerichtet, der an der Wand hing. Das asymmetrisch
angeordnete Wandbord war mit Büchern, DVD s und
ein paar persönlichen Erinnerungsstücken gefüllt. Auch hier galt, dass weniger
durchaus mehr sein kann. Ein Sideboard und eine Art Bauernschrank
vervollständigten die Einrichtung neben dem runden Esstisch mit den vier
Stühlen. Christoph fiel auf, dass man in diesem Haus offenbar nie mehr als zwei
Besucher erwartete, während häufig die ungeschriebene Norm »sechs Personen«
galt.
Bunge bat sie an den runden Tisch und schob ein Holzbrettchen mit
einem quer darauf liegenden Messer, an dem noch Spuren von Tee- oder Leberwurst
klebten, zur Seite.
»Entschuldigung, aber ich bin heute früh von der Arbeit gekommen.
Wir waren an der holländischen Grenze in der Nähe von Lingen. Dann habe ich
eine Kleinigkeit gegessen und bin todmüde ins Bett gefallen. In der Woche komme
ich, wenn ich auf Montage bin, selten dazu, ausreichend zu schlafen. Das hole
ich am Wochenende nach.« Wie um seine Worte zu unterstreichen, gähnte
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