Tod im Koog - Hinterm-Deich-Krimi
er
herzhaft. Bunge war mittelblond und wies auf dem Kopf die ersten kahlen Stellen
auf, an denen die Kopfhaut durchschimmerte. Er schien im Freien zu arbeiten.
Das verriet die gesunde Gesichtsfarbe. Dennoch war ihm anzusehen, dass er
abgespannt und müde war. Die Ringe unter den Augen waren eindeutige Anzeichen
dafür.
»Sie arbeiten als was?«, fragte Christoph.
»Ich bin Monteur für Windkraftanlagen. Wir nehmen neue Anlagen in
Betrieb. Überwiegend beschäftigen wir uns aber mit der Wartung. Meistens ist es
die planmäßige Routineuntersuchung. Manchmal müssen wir aber auch Störungen
beheben. Die Anlage muss laufen. Time is money.«
»Dann ist es Ihr Passat vor der Tür? Der mit dem Aufkleber?«
Bunge schien ein wenig irritiert zu sein. »Ach, Sie meinen: ›Ich bin
ein Alternativer‹. Ja. Damit verdiene ich mein Geld.« Plötzlich stutzte er.
»Ist was mit dem Wagen? Ich meine, weil die Polizei …?«
Christoph räusperte sich. In seiner langjährigen beruflichen
Laufbahn war er schon oft dieser Situation ausgesetzt gewesen, dass er
schlechte Nachrichten zu überbringen hatte. Bis heute hatte er sich nicht daran
gewöhnen können.
»Es geht um Ihre Frau.«
»Ja? Was ist mit der? Die arbeitet.«
»Ihr ist etwas zugestoßen.«
Bunge sah Christoph an. Es schien, als würde er durch ihn
hindurchsehen. Christoph kam es wie eine Ewigkeit vor. Dann schüttelte der Mann
den Kopf.
»Das kann nicht sein. Die ist auf Arbeit. In der Rehaklinik. Da
draußen, in den Kögen.«
»Da war sie gestern«, sagte Christoph behutsam. »Haben Sie Ihre Frau
nicht vermisst, als Sie nach Hause gekommen sind?«
»Wieso denn? Die hat gestern gefeiert, nachdem das Personal sich
zwei lange Monate bis auf die Knochen abgeschuftet hat. Sie wusste nicht, wie
lange es dauert und ob sie eventuell etwas trinkt. Dann wollte sie dort
schlafen. Das hatte man den Gästen der Einweihung angeboten. Die haben da ja
genug Zimmer. Und die ersten Kurgäste sollen erst nächste Woche kommen. Glaube
ich. Außerdem wusste Heike gar nicht genau, wann ich zurück bin. Das habe ich
nicht gesagt, weil das nicht vorhersehbar ist. Wir hatten eine Störung, und da
kann man nie im Voraus sagen, wie lange es dauert. Manchmal geht es auch übers
Wochenende. Darum habe ich sie nicht vermisst. Und telefonieren kann man auch
schlecht. Auf dem Festnetz mag Heike es nicht, wenn man sie auf der Arbeit
anruft. Da weiß man nicht, wer am Apparat ist. Sie sagt, der Doktor wäre so
komisch. Und Handyempfang ist da ganz schlecht. Manchmal klappt es überhaupt
nicht. Deshalb habe ich …«
»Herr Bunge!« Christoph unterbrach den Redefluss des Mannes. Er
konnte verstehen, dass Bunge die Tragweite der Nachricht noch gar nicht richtig
erfasst hatte. Er hatte lediglich vernommen, dass ihr »etwas zugestoßen« war.
Das konnte alles Mögliche bedeuten. Christoph schien es, als wäre der Mann gar
nicht an Einzelheiten interessiert, als würde er krampfhaft bemüht sein, durch
seinen Redefluss der nächsten entscheidenden Frage ausweichen zu wollen.
Jetzt sah er Christoph an und rieb sich über die Augen, als wäre er
aus einer Trance erwacht.
»Herr Bunge, wir müssen Ihnen die traurige Mitteilung machen«,
begann Christoph und ärgerte sich im selben Moment über sich selbst, weil er
diesen abgedroschen klingenden Satz benutzte, »also: Ihre Frau ist durch Fremdeinwirkung
verstorben.«
»Das geht doch nicht. Sie ist doch kerngesund.« Bunge sah Christoph
an, als würde er Märchen erzählen.
»Es ist kein medizinischer Notfall gewesen, auch kein Unfall,
sondern …«
Mitten im Satz beugte sich Große Jäger vor und legte seine Hand auf
Bunges Unterarm, weil beide Beamten dem Mann ansahen, dass er dem Inhalt von
Christophs Worten nicht hatte folgen können.
»Hör mal«, sagte der Oberkommissar in vertraulicher Tonlage. »Deine
Frau ist ermordet worden. Gestern Abend. Auf dem Klinikgelände.«
»Das geht doch nicht.« Bunges Antwort klang wie ein energischer
Protest. »Die haben doch gefeiert. Da ist man doch fröhlich. Bei so was stirbt
man doch nicht.«
»Genaue Umstände kennen wir auch noch nicht. Wir stehen noch am
Anfang unserer Ermittlungen.« Christoph hatte betont ruhig gesprochen. Dann
ließ er dem Mann ein wenig Zeit. Bunge knetete die Hände, die auf dem Esstisch
lagen. Ihn schien es nicht zu stören, dass die rauen und rissigen Finger dabei
in den Gelenken vernehmlich knackten.
»Hat Ihre Frau von der Arbeit berichtet? Davon, dass es dort
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