Tod im Koog - Hinterm-Deich-Krimi
gegangen?«
»Am Schluss. Mir ist es schwergefallen, dem seichten Geschwätz
dieser trockenen Gesellschaft zu folgen.«
»Sie waren zwischendurch nicht abwesend?«
»Nur zum Pinkeln.«
»Und wie lange dauert so ein Toilettendurchgang, wenn es nicht mehr
so klappt wie bei Ihnen?«
Große Jäger erntete für diese Anmerkung einen giftigen Blick.
»Wann sind die anderen Teilnehmer gegangen?«
»Ach – was weiß ich. Das geht mich einen feuchten Kehricht an.
Der Monsignore war bis zum Schluss da. Der Bürohengst …«
»Zehntgraf«, warf Große Jäger ein.
»Sagte ich doch. Dieser Halbaffe vom Landkreis …«
»Und der Husumer Bürgermeister?«
»Lassen Sie mich doch in Frieden. Ich weiß es nicht mehr. Kann sein,
dass er irgendwann abgehauen ist. Ich glaube, da war es noch hell.«
»Zusammen mit Pastor Hansen?«
»Der ist schon früher weg, der Pfaffe. Der Husumer ist erst ins
Haus, dann aber noch mal zurückgekommen. Ich fand den ziemlich öde. Er hatte
schon vorher wenig gesagt. Danach hat er nur noch wie ein Denkmal in der
Landschaft gestanden.«
»Kennen Sie die Bauhandwerker, speziell die Maurer, näher?«, mischte
sich Christoph ein, bevor das Gespräch zwischen den beiden eskalierte.
Der Architekt schnaufte verächtlich. »Die Frage ist ja wohl nicht
ernst gemeint. Das sind doch alles Primitivlinge.«
Dann gehörst du in diese Kategorie, dachte Christoph, behielt es
aber für sich. Stattdessen bat er um eine Speichelprobe. Knurrend ließ es der
Architekt geschehen.
»Ich glaube nicht, dass die Probe nach den Ermittlungen vernichtet
wird. Was deutsche Behörden einmal eingesackt haben, bleibt für immer
gespeichert.«
Große Jäger erhob sich und schwenkte den Zeigefinger. »Seien Sie
vorsichtig auf dem Wasser«, sagte er. »Es wäre nicht schade für die Menschheit,
wenn Sie über Bord gehen würden. Aber bitte erst nach Abschluss unserer Ermittlungen.«
De Frontier formte mit den Lippen eine Antwort, die eindeutig einen
Teil des Verdauungsweges bezeichnete.
»Was gibt es für Widerlinge«, sagte Große Jäger, als sie im Auto
saßen. »Man müsste sich komplett desinfizieren, wenn man die Gegenwart eines
solchen Typen genossen hat. Das ist richtiggehend pervers, was der über Frauen
denkt. So einer wie der müsste zwangsrekrutiert werden als Pförtner in einem
Frauenhaus.«
»Bitte?«, fragte Christoph ungläubig.
Der Oberkommissar lachte und machte mit Zeige- und Mittelfinger die
Bewegung, als würde er etwas abschneiden. »Keine Sorge. Der würde sich an
keiner Frau mehr vergreifen. Dafür könnte er an seinen freien Tagen die Stelle
des Soprans im Kirchenchor besetzen.«
»Wie sieht es eigentlich mit deinem Liebesleben aus?«, fragte
Christoph fast beiläufig.
»Hab ich.«
»Und?«
»Das ist kein Fall für das Public Viewing. Ich frage dich auch
nicht, ob du in deiner Beziehung den Rat deines Chefs beherzigst.«
»Ich fürchte, das nicht verstanden zu haben«, gestand Christoph ein.
»Du bist doch evangelisch. Nach meinem Wissen hat Martin Luther
gesagt: ›In der Woche zwier‹.«
»Er hat auch noch andere Deftigkeiten von sich gegeben.«
»Und sich als Mönch erlaubt, mit einer Nonne zu schlafen.« Große
Jäger hob abwehrend die Hand und fuchtelte damit vor Christophs Nase herum.
»Nun halt mir bitte keinen Vortrag über die jüngsten Missbrauchsfälle. Das
Ganze ist ein unappetitliches Thema. Es ekelt mich, wenn ich an unsere
derzeitigen Fälle und das Drumherum denke.«
Mit diesem Schlusswort verfiel der Oberkommissar in ein tiefes
Schweigen, das er erst wieder aufgab, als sie von der breiten Bundesstraße, die
Christoph immer ein wenig an die schwedischen Überlandstraßen erinnerte, in
einen besseren Feldweg abbogen und kurz darauf vor einem kleinen Gehölz
standen, das sich zur windzugewandten Westseite ein wenig duckte und wie ein
schräges Pultdach wirkte. Das verrottete Schild »Koogsweg« war kaum noch zu
erkennen, und das Sackgassenschild stand offenbar auch schon seit Generationen
unverändert an diesem Fleck. Immerhin wies ein allgemeines Warnschild, jenes
Dreieck mit dem Ausrufungszeichen, dank des handgemalten Zusatzes »Vorsicht
Lämmer« auf eine allgemeine Gefahrenstelle hin. Westerschnatebüllkoog war das
Ende der Welt. Bei den drei Häusern endete jeder Weg. Und das Anwesen von
Hildegard Oehlerich lag noch ein wenig einsamer, abseits an einer Kurve der
Zuwegung.
Christoph hatte mehr als eineinhalb Stunden für die Strecke
benötigt, da die Autobahn
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