Tod im Koog - Hinterm-Deich-Krimi
ist, Entschuldigung, aber das
kann ich nicht sagen. Das war ja ein ziemliches Durcheinander. Die meisten
haben im Garten gefeiert. Es war ja ein tolles Wetter.«
Christoph war hellhörig geworden. »Heißt das, einige der Teilnehmer
waren auch im Haus?«
»Na ja. Da sind die Toiletten.« Lütfü tippte sich an die Brust. »Ich
habe nicht alles gesehen. Warum auch? Es kann gut sein, dass dieser oder jener
auch mal im Haus war. Ich erinnere mich, dass Dr. Aufgänger für eine ganze
Weile verschwunden war. Und Schwester Beate war auch abgetaucht. Richtig. Der
Chef …«
»Herr Zehntgraf?«
»Ja, wer sonst? Der hat mich noch gefragt, wo die beiden abgeblieben
waren.«
»Schwester Beate und der Arzt?«
»Nein. Schwester Beate und Schwester Heike. Zuerst war Schwester
Heike verschwunden. Das war aber ein bisschen früher. Dann war Beate weg. Und
irgendwann kam Heike zurück. Ich glaube, bald darauf ist sie gegangen.«
»Beate auch?«
»Die tauchte dann wieder auf. Der Chef war ein bisschen sauer, weil
sie sich danach nicht mehr aufmerksam um die Gäste gekümmert hat. Das musste
Schwester Elena allein machen, bis die ganz plötzlich auch weg war, ohne sich
zu verabschieden. Das war merkwürdig.«
»Und die Handwerker?«
»Sie meinen die Maurer«, grenzte Lütfü Christophs Frage ein. »Die
haben die ganze Zeit ein wenig abseits gehockt und getrunken. Da habe ich nicht
gesehen, ob die zwischendurch mal weg waren.«
Das widersprach Kohlschmidts Aussage, der von seinem Kollegen
Dreschnitzki vermutet hatte, dass der eine Weile mit seiner Freundin
telefoniert hätte. Wenn der junge Mann aus Bayreuth seine Aussage nicht
widerrief, musste er zwischendurch über Schwester Elena hergefallen sein und
sie missbraucht haben. Es war denkbar, dass Schwester Heike zu diesem Zeitpunkt
schon tot war. Zumindest war sie nicht mehr gesehen worden.
»Sie sind eine wertvolle Hilfe«, bedankte sich Christoph beim
Hausmeister. Der freute sich über das Lob.
»Da nicht für«, antwortete er. Christoph musste lachen, weil der
türkische Mitbürger diese sehr spezifische Redewendung gebrauchte.
Mittlerweile musste Christoph nicht mehr suchen oder fragen. Er
kannte inzwischen die Räumlichkeiten und wunderte sich nicht, dass er von
zahlreichen Leuten, die wie in einem Ameisenhaufen durcheinanderliefen,
freundlich gegrüßt wurde, als wäre er einer der ihren. Nirgendwo stieß er auf
Anzeichen, die auf die beiden Straftaten aus der Vorwoche hinwiesen. Business as usual . In dieser Woche sollten die ersten
Patienten eintreffen. Nur das zählte. Für die Verantwortlichen schienen die
Ermittlungen eine lästige Angelegenheit zu sein, die im emsigen
Geschäftsbetrieb störten. Merkwürdig war auch, dass niemand nach den näheren
Umständen der Taten fragte oder sich nach dem Stand der Ermittlungen
erkundigte, nicht einmal nach dem Befinden von Schwester Elena.
Die Tür zum Schwesternzimmer stand offen. Schwester Beate war dabei,
die Transportverpackung eines neu gelieferten Schreibtischs zu entfernen. Sie
sah erschrocken auf, als Christoph gegen den Türrahmen klopfte, eintrat und die
Tür hinter sich schloss. Er stellte sich mit dem Rücken gegen die Innenseite
der Tür. Es sollte wirken, als hätte er den Fluchtweg versperrt. Das war ihm
gelungen. Schwester Beate, die sich bei ihrem ersten Gespräch immer an
Dr. Aufgänger orientiert hatte, sah Christoph mit einem nervösen Flackern
der Augenlider an. Er sah, dass ihre Lippen leicht bebten. Sie schwieg.
»Sie haben uns die Unwahrheit gesagt.« Es war wie ein Hieb mit dem
Florett. Es saß. Die Frau wich seinem Blick aus. Und schwieg.
»Sie haben behauptet, Sie wären mit Ihrem Wagen nach Hause gefahren.
Das ist nicht zutreffend. Ihr Auto wurde in der Nacht von Donnerstag auf
Freitag nicht bewegt. Das haben wir eindeutig festgestellt.«
Schwester Beate sah auf ihre Finger, die sie ineinander verhakte,
wieder löste und erneut verknotete. Sie schwieg.
»Wir werden immer wieder unterschätzt. Und unsere technischen
Möglichkeiten. Mich würde interessieren, warum Sie mich angelogen haben.«
Die Frau atmete tief ein und stieß vernehmbar die Luft aus. Sie sah
an Christophs Kopf vorbei, als würde sie hoffen, dass sich die Tür öffnen
würde. Es war unübersehbar. Schwester Beate hatte Angst.
»Vor wem fürchten Sie sich?«, fragte Christoph.
»Ich? Vor niemandem«, behauptete sie mit zittriger Stimme.
»Wo sind Sie gewesen? Jedenfalls nicht zu Hause. Haben Sie etwas
beobachtet und
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