Tod im Moseltal
müssen unbedingt wissen, wo er ist. Vielleicht kannst du uns helfen.«
»Du denkst, er trifft sich mit Mazzomaid.«
»Wir vermuten es, ja.«
»Hat eure Beschattung versagt?« Marie machte sich nicht die Mühe, den Vorwurf in ihrer Stimme zu unterdrücken.
»Dein Mann hat sich sehr geschickt angestellt. Er hat einen Brief an dich hinterlassen. Er schreibt darin von ›einem Ort seiner letzten Niederlagen Weißt du, was damit gemeint ist?«
Marie überlegte einen Moment. »Nein, keine Ahnung. Ich komme sofort hoch.«
»Gut, beeil dich.«
*
Die ehemalige Kaserne Castelnau ragte wie ein Keil in den Trierer Stadtteil Feyen hinein. Lang gestreckte Kasernengebäude umrahmten im Zentrum des Keils einen Exerzierplatz in der Größe von drei Fußballfeldern. Daran schlossen sich in dem stark ansteigenden Gelände mehrere dreißig Meter breite Terrassen mit Lagerhallen, Schuppen und vorgelagerten Fahrwegen an. Oben auf dem Plateau befand sich die Fläche, auf der ursprünglich der Handwerkerpark hatte entstehen sollen. In der Mitte lagen, bereits umgeben von Laubwald, eine große Asphaltfläche mit angrenzendem Gebäude, die gegenwärtig von einer Gasvertriebsfirma genutzt wurde, sowie der alte Wasserbehälter. Weiter südlich standen im Wald verstreut weitere Gebäudekomplexe, drei identische ovale Fahrparcours mit H-förmigen Verbindungstrassen und schließlich ein Übungsgelände. Alles war seit über einem Jahrzehnt dem Verfall preisgegeben.
Im Westen begrenzte die von den Einheimischen kurz die »Pellinger« genannte B 268 das Areal; im Osten stellte das Aulbachtal mit den großen Pfahlweihern eine landschaftliche Zäsur dar. Der frühere Standortübungsplatz setzte sich hingegen noch über mehrere hundert Hektar östlich fort. Weil sich dort, wie so häufig im Schutz eines militärischen Sperrgebietes, Flora und Fauna in reicher Vielfalt entwickeln konnten, war hier vor sieben Jahren ein großes Naturschutzgebiet ausgewiesen worden.
Die landschaftliche Schönheit und ökologische Wertigkeit des Mattheiser Waldes lag Galaxien entfernt von dem, womit sich Thomas Steyn an diesem nasskalten Novembermorgen beschäftigte. Mit Mühe hatte er durch das regenbenetzte Visier des Motorradhelmes in einer lang gezogenen Außenkurve der Pellinger Straße die schon vorher in Luftbildern ausgemachte Zufahrt zum Kasernengelände entdeckt. Jetzt schob er das Motorrad ein paar Meter den Zaun entlang und stellte es ab. Die Honda war hinter der parallel zur Straße wachsenden Hecke gut versteckt.
Das Eingangstor war, wie er es erwartet hatte, verschlossen. Er nahm die Drahtschere aus dem Rucksack und begann sich einen Zugang durch den immer noch stabilen Zaun zu schneiden. Es dauerte keine zwei Minuten, bis er auf dem ehemaligen Militärgelände stand.
Die ersten Pendler, die über die Bundesstraße Richtung Trier fuhren, schickten durch die fast blattlosen Sträucher und Bäume diffuse Lichtkegel in seine Richtung. Er ging jedes Mal in die Knie, um durch die Reflektoren seines Overalls nicht entdeckt zu werden. Das Licht verhalf ihm zu einem Mindestmaß an Orientierung. Er schlich am Rand eines befestigten Fahrweges parallel zur Straße weiter. Vorbei an einer alten Werkhalle gelangte er zu einer Kreuzung etwas breiterer Straßen. Wieder verbarg er sich im Schatten des Waldrandes, als ein Lkw über die Pellinger Richtung Trier donnerte. Er musste jetzt unweit der Baracken sein, wo die Soldaten früher für den Häuserkampf gedrillt worden waren. Wenn er Mazzomaid mit seinen verschlüsselten Anweisungen richtig verstanden hatte, sollten sie sich dort treffen.
Er hatte keine Ahnung, ob sein Schulfeind bereits auf ihn wartete. Nach dem nächsten Auto lief er geduckt weiter. Der Weg, den er jetzt einschlug, führte ihn weiter weg von der Bundesstraße. An der nächsten Abzweigung ging er im Schutz der Gehölze wieder in die Hocke. Von hier aus konnte er durch die Sträucher und Bäume eine Freifläche und die Silhouette eines Hauses erahnen. Ohne lange nachzudenken, lief er zu dem Gebäude. Es war der Rohbau eines in sich versetzten Reihenhauses. Mit einem Satz verschwand er in der ersten Türöffnung, drückte sich an die Wand und lauschte in die Dunkelheit.
Nach dem Telefonat mit dem Schwein war er direkt mit dem Bus hinaus nach Feyen gefahren. Er war sich sicher, dass sie mit der Suche nach ihm erst richtig begonnen haben konnten, als er schon längst wieder in seinem Versteck saß. Dort hatte er sich die Ausrüstung für seine
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