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Tod im Moseltal

Tod im Moseltal

Titel: Tod im Moseltal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Ness
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zufriedengeben können? Wie hatte sie nur so blind sein können?
    Sie schaute auf die Zeiger der Uhr im übersichtlichen Armaturenbrett. Sie würde die Kinder nur noch kurz vor dem Schlafengehen sehen können. Ihre Mutter konnte sie anschließend mit ein paar allgemeinen Andeutungen versorgen. Mehr würde Rosalie sowieso nicht wissen wollen.
    Hinter Berdorf führte die schmale Landstraße in weiten Bögen durch ein lang gestrecktes Waldgebiet. Wie früher fuhr Marie nicht durch Consdorf, sondern folgte der östlich vorbeiführenden Landstraße, die beidseitig von einer lückigen Häuserreihe flankiert wurde. An der Kreuzung zur Nil Richtung Luxemburg musste sie einer Karawane von gut einem Dutzend Autos Vorfahrt gewähren, die sich hinter einem riesigen Truck herschob.
    Ihr ging es jetzt schon auf die Nerven, gleich im Schneckentempo über die Nationalstraße kriechen zu müssen. Der Fahrer des Wagens hinter ihr schien genauso wenig Lust zu haben, sich hinter der Autoschlange einzureihen, sonst hätte er wohl nicht beschlossen, in einem Abstand von gut fünf Metern hinter ihr zu warten. Im Rückspiegel konnte sie lediglich seine Silhouette und ein leuchtend grünes Wunderbäumchen durch die spiegelnde Windschutzscheibe sehen. Endlich hatte das letzte Auto sie passiert, und Marie konnte den Spider auf die Nil lenken.
    Hinter Waldhof wechselte sie an der neuen Anschlussstelle auf die A 7. In einer seltsamen Stimmung zwischen Leere und Entschlossenheit, Fürsorgepflicht für ihren Mann und gleichzeitig zunehmender Distanz zu ihm ließ sie sich über die Autobahn nach Metz treiben.
    Hinter dem Parc du Lac aux Cygnes mit dem großen See zwischen Mosel und Canal de Jouy hätte sie beinahe eine Abfahrt zu früh genommen. Oft fuhr sie hier noch einmal kurz in die Innenstadt zur Kathedrale Saint-Etienne de Metz, um sich im Hauptschiff mit Blick auf die riesigen beeindruckenden Kirchenfenster auf den Besuch bei ihrer Mutter vorzubereiten. Obwohl sie mit Kirche und Glauben nichts anfangen konnte, gelang es ihr in der kühlen Stille von Gotteshäusern, innere Ruhe zu finden. Aber heute war dafür keine Zeit.
    Mit einem gewagten Schlenker fuhr sie von der Abfahrtsspur zurück auf die Autobahn und erschrak fast zu Tode, als hinter ihr mehrere Autos laut hupten. Sie wollte sich schon darüber aufregen, als sie im Rückspiegel bemerkte, dass die Signale nicht ihr galten, sondern einem silberfarbenen Peugeot, der ursprünglich ebenfalls abbiegen wollte.
    Die Ablenkung führte dazu, dass sie fast auf einen langsam fahrenden Lieferwagen auffuhr. Sie riss das Lenkrad des Cabrios nach links und erfasste aus den Augenwinkeln gerade noch den neben ihr fahrenden Renault. Mit einem Rechtsruck und scharfem Abbremsen konnte sie einen Unfall nur knapp vermeiden. Ein Blick in den Rückspiegel zeigte ihr, dass auch das hinter ihr fahrende Auto voll abbremsen musste. Für einen Moment konnte sie in das angestrengte Gesicht des Mannes blicken, bis der Peugeot deutlich an Geschwindigkeit verlor und nur noch ein schwingender giftgrüner Duftspender durch die Frontscheibe zu erkennen war.
    Marie atmete ein paarmal durch und blieb erst einmal hinter dem Transporter. Einen Unfall mit Pierres geliebter Kiste konnte sie jetzt gar nicht gebrauchen. Er hatte Hunderte Stunden in seiner Garage geflext, geschweißt, gespachtelt und lackiert, bis aus dem völlig verrosteten Wrack wieder ein ansehnliches Auto geworden war. Pierre hatte ihr schon einiges im Leben nachsehen müssen, aber das hätte ihre Freundschaft auf eine vielleicht zu harte Probe gestellt.
    Während sie nun den Verkehr zu allen Seiten sorgfältig beobachtete, blinkte sie rechtzeitig und bog auf die lang gezogene Abfahrt in Richtung der vierspurigen Moselbrücke ein. Als sie im Rückspiegel wieder den Peugeot entdeckte, erinnerte sie sich plötzlich, wo sie das Auto mit dem grünen Wunderbaum zum ersten Mal gesehen hatte. War ihr bei dem Ausweichmanöver gerade noch heiß geworden, trat ihr jetzt kalter Schweiß auf die Stirn.
    Nachdem sie die Mosel überquert hatte, musste sie nur noch rechts abbiegen und wäre in ein paar Minuten in Lessy bei ihrer Mutter. Kurz entschlossen riss sie das Steuer nach links und preschte über einen Fußweg am Ende der Grünfläche und den anschließenden Zebrastreifen auf die Fahrbahn in die entgegengesetzte Richtung. Sie gab Vollgas, und noch während sie beschleunigte, verließ sie rechts die D 6 und raste über die Vieux Pont und die Allée du Chateau in

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