Tod im Moseltal
Auf Firmenkosten, wie er betonte, und um Thomas Steyn damit hoffentlich helfen zu können. Oder zur Aufsicht, wie Steffen vermutete.
Der mittlerweile aus dem Kurzurlaub bei seinen Eltern in Schwerin zurückgekehrte junge Kriminalkommissar Sven Tard hatte die Aufgabe übertragen bekommen, die Internetverbindungen von Thomas Steyn zu überprüfen. Parallel sollte er herausfinden, wo eine Prostituierte aus Osteuropa vermisst wurde.
Nicole Huth-Balzer und Michael Reuter durchleuchteten das soziale Umfeld des Verdächtigen: Freunde, Bekannte, Sportkameraden. Steyns Kollegen sollte Steffen in der Firma übernehmen. Bei Buhle und Gerhardts stand heute die Familie von Steyn auf der Agenda.
Bevor die morgendliche Teamsitzung beendet wurde, fragte Reuter nach dem Verlauf der Pressekonferenz. Er hatte wie alle anderen am Vorabend den Beitrag in »Rheinland-Pfalz aktuell« gesehen und heute Morgen bereits den Volksfreund-Artikel gelesen. Das öffentlich-rechtliche Dritte Programm hatte gewöhnlich nüchtern und neutral berichtet, ebenso wie der für einen Mordfall in Trier vergleichsweise kurze Text im Trierischen Volksfreund. In seinem Kommentar sparte der Chefredakteur des TV dagegen nicht mit Kritik an der Informationspolitik der Polizei, insbesondere der Ungleichbehandlung der Medien. Unverhohlen war von einem »bisher nicht entdeckten Loch in der Mauer des Schweigens im Polizeipräsidium« die Rede. Gleichwohl beteiligte sich der Trierische Volksfreund an der Suche nach der Identität der Toten, ebenso wie alle anderen Zeitungen in mehr oder weniger großen Beiträgen und Bildern. Mit großer Spannung hatten alle den Aufmacher der Mosella-Zeitung gelesen; sogar Buhle hatte sich ein Exemplar im kleinen Supermarkt an der Ecke zur Güterstraße gekauft.
Die MoZ ging nur in wenigen Absätzen auf die Pressekonferenz ein, wohl vor allem, um das überdimensionierte Foto von Buhle, Monz und Haupt auf der Titelseite einzubinden. Es war schon eine Leistung des Fotografen, den Moment abzupassen, in dem alle drei einen unglaublich ratlosen Eindruck vermittelten. Darüber prangte in dicken Buchstaben: »Beweise reichen den Ermittlern nicht« und etwas kleiner als Untertitel: »Trotz Verhaftung und erdrückender Beweislast sind Ermittler unsicher – Rätsel um Motiv«. Der folgende Artikel war belanglos.
Das änderte sich auf Seite zwei. Reporter berichteten von »guten Bekannten« und »engen Vertrauten«, die die Ehe der S. in der letzten Zeit als instabil bezeichneten. Thomas S. habe seine Freizeit deutlich häufiger allein gestaltet, wäre besonders gern auf geschäftlichen Auslandsreisen gewesen und habe sich wieder mehr für andere Frauen interessiert. In mancher seiner Aussagen habe er angedeutet, dass das Zusammenleben mit seiner Frau Marie S. in den letzten Jahren in jeglicher Beziehung unbefriedigend geworden sei. Ein ehemaliger Kommilitone wurde mit den Worten zitiert: »Tom war schon während des Studiums kein Verächter eines ausschweifenden Lebens. Er hat wohl zunehmend unter der Enge des von seiner Frau dominierten Familienlebens gelitten.«
Mit dem Vornamen von Marie Steyn hatte die MoZ mal wieder ein journalistisches Tabu gebrochen. Die Reduzierung des Nachnamens auf den Anfangsbuchstaben war damit zur Farce geworden. Jeder, der Marie und Thomas Steyn auch nur entfernt kannte, würde spätestens jetzt unstrittig wissen, wer des Mordes verdächtigt wurde. Doch die MoZ setzte noch einen drauf. Ein weiterer Bericht beschrieb ein angeblich gestörtes Vater-Sohn-Verhältnis. Wie sei es sonst zu erklären, wurde gefragt, dass der Sohn nicht im elterlichen Betrieb arbeite, obwohl er mit dem entsprechenden Studium fachlich hervorragend qualifiziert sei? Stattdessen würde Thomas S. bei einer konkurrierenden Trierer Firma die Auslandsgeschäfte leiten und somit als Konkurrent im Marktsektor der alternativen Energien agieren.
Buhle und seine Kollegen fanden die Berichterstattung der MoZ reißerisch, spekulierten über die Glaubwürdigkeit der zitierten Quellen, sahen aber in der Tatsache, dass Vater und Sohn Steyn beruflich getrennte Wegen gingen, tatsächlich einen Ermittlungsansatz, dem sie nachgehen wollten.
Buhle und Gerhardts trafen pünktlich um zehn Uhr vor dem Haus der von Steyns in Trierweiler ein. Buhle war überrascht, als er das für ein Unternehmerhaus vergleichsweise kleine Gebäude sah. Auf den zweiten Blick erkannte er eine moderne Architektur, der es ausgesprochen gut gelungen war, innovatives Bauen und
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