Tod im Moseltal
nie auf dem Handy an.
»Ich habe einen Brief zugeschickt bekommen. Es ist eine Kopie von einem Liebesbrief von dir an Peter.«
»Bitte? Was hast du bekommen?«
»Du hättest deiner besten Freundin ruhig anvertrauen können, dass du deine Zukunft ohne uns planst«, sagte sie etwas spöttisch, aber ohne jegliche Ironie.
»Waaas?« Marie klang bestürzt. »Was erzählst du denn da? Wer schickt dir denn so was?«
»Keine Ahnung, der Brief kam mit der Post und natürlich anonym. Da scheint jemand den Versuch unternommen zu haben, dich bei mir zu verunglimpfen.« Claudille überlegte kurz. »Na ja, einen Anhaltspunkt haben wir zumindest: Er scheint weder Peter noch dich oder mich wirklich zu kennen, da er es auf diese unglaublich dämliche Art versucht hat.«
»Claudille, das ist doch alles nicht normal. Da hat doch jemand was mit uns vor. Seitdem diese Tote in unserem Haus gefunden wurde, läuft gegen uns eine Attacke nach der anderen.« Marie berichtete Claudille von den Flugblättern am Gymnasium. »Was ist denn plötzlich bloß los?«
»Ich weiß es auch nicht, Marie.« In Claudille wuchs Besorgnis. »Irgendjemand scheint eine unbändige Wut auf euch zu haben oder einen anderen Grund, euch …« Sie sprach nicht weiter.
»Kommst du allein zurecht?«, fragte Marie. »Nein, pass auf, wenn die Kinder aus der Schule kommen, packen wir die Sachen und kommen zu dir. Du hast Nora und Mattis auch schon länger nicht mehr gesehen. Ist das okay?«
»Du weißt, dass ich mich immer freue, wenn ihr kommt. Aber wegen des Briefes brauchst du das nicht zu tun.«
»Den Brief tust du am besten in einen Gefrierbeutel, damit die Polizei ihn später nach Spuren untersuchen kann. Nein, Claudille, ich brauche dich einfach, und den Kindern tut es auch gut, Abstand zu gewinnen. Und … ich will auch noch nicht zurück nach Avelsbach. Bis heute Abend?«
»Schön, bis heute Abend. Ich freue mich.«
*
Diese Position vor den ganzen Journalisten mochte Buhle gar nicht. Es waren mit wenigen Abweichungen dieselben wie bei der ersten Pressekonferenz gekommen. Der Chefredakteur des Trierischen Volksfreunds hatte heute allerdings offensichtlich Besseres zu tun, als sich über die Öffentlichkeitsarbeit der Polizei zu beschweren. Stattdessen stand Reporter Claudio Zerani eine junge Hospitantin zur Seite. Die führende Tageszeitung der Region schien also nicht mehr von einem Fehlverhalten der Kriminalpolizei auszugehen und sich auf die eigentliche Berichterstattung zu beschränken.
Die Pressekonferenz verlief ruhig und sachlich. Buhle wollte schon aufatmen, als sich doch noch Hannah Sobothy vom RPR-Radio zu Wort meldete.
»Sie haben ja vorhin mitgeteilt, der Anfangsverdacht hätte sich deutlich verdichtet. Nach den lehrreichen Ausführungen der Staatsanwältin vom Dienstag weiß ich ja nun, dass damit die Schuld des Verdächtigen noch lange nicht feststeht. Gilt somit die Unschuldsvermutung weiterhin auch faktisch oder nur auf dem Papier der Juristen? Wenn vielleicht Herr Buhle als Ermittlungsleiter antworten könnte.«
Buhle spürte, wie er bei der direkten Ansprache von Hannah rot anlief. Das war ihm im Dienst noch nie passiert. Mit einem Hüsteln hinter vorgehaltener Hand versuchte er es zu verbergen. »Ja und nein, Frau Sobothy. Ja, es gilt weiterhin die Unschuldsvermutung, und nein, dies nicht nur auf dem Papier. Auch wenn sich Indizien zu einer Annahme in eine Richtung verdichten sollten, bedeutet das nicht, dass wir andere sich auftuende Spuren ignorieren.«
»Ach, gibt es die denn?«
Buhle schaute etwas schuldbewusst nach links zu Monz, der wie immer keine Regung zeigte und ihn doch deutlich zu warnen schien. Dann antwortete er: »Es gibt immer Spuren, die in andere Richtungen gehen. Auch wenn sie nicht zu einer Lösung des Falles führen, müssen wir ihnen folgen, um ihre Unerheblichkeit zu beweisen. Also machen wir das. Es ist aber momentan nicht der Schwerpunkt unserer Ermittlungstätigkeit. Wir verfolgen gegenwärtig vorrangig die Spuren, von denen wir uns die Lösung des Falles erhoffen.«
»Das hört sich aber doch so an, als ob sie fest davon ausgehen, den Täter zu haben.«
Die unbeschwerte Journalistin mit dem Faible für Kleider imponierte Buhle einmal mehr mit ihrer direkten Art. »Sie können sich sicher sein, dass für mich ein Täter erst als solcher feststeht, wenn er gestanden hat oder die Beweislast eindeutig und unwiderlegbar ist. In unserem Fall trifft beides noch nicht zu«, er versuchte ein Lächeln, »und
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