Tod im Moseltal
deshalb ermitteln wir weiter in alle Richtungen, allerdings in eine Richtung besonders intensiv.«
Hannah Sobothy brauchte ein Lächeln nicht zu versuchen, sie schien darin eindeutig mehr Übung zu besitzen. »Danke, Herr Buhle.«
Der freundliche Gesichtsausdruck der jungen Reporterin hätte für Buhle ein schöner Abschluss einer anstrengenden Woche sein können, wenn sich nicht Robin Flieger von der MoZ dazu durchgerungen hätte, nach all den kompromittierenden, aus dubiosen Quellen zusammengereimten Artikeln tatsächlich seine erste direkte Frage an die Polizei zu stellen.
»Dürfen wir also unseren Leserinnen und Lesern mitteilen, dass die hoch dotiert besetzte Sonderkommission trotz eindeutig vorliegender Beweise ihre wertvolle Zeit mit der Ermittlung irrelevanter Sachverhalte vergeudet? Oder will man in Trier vielleicht nur Zeit gewinnen, um mit irgendeinem Winkelzug die weiße Weste einer renommierten Familie doch noch zu wahren?«
Buhle wusste, dass er sich gar nicht erst die Mühe machen musste, nach einer Antwort zu suchen. Hubert Monz hatte sich schon in Position gebracht.
»Ich befürchte, Herr Flieger, die Mosella-Zeitung wird uns in der morgigen Ausgabe so oder so ihre Version unseres rechtsstaatlich verankerten Arbeitsauftrages präsentieren. Wenn keine weiteren Fragen sind, wünsche ich allen einen schönen Wochenabschluss.«
14
Luxemburg; Juni im selben Jahr
Er kannte die Strecke ins luxemburgische Hinterland mittlerweile wie den Weg zwischen Bad und Schlafzimmer. Jedes Mal inspirierten ihn Weg und Ziel, und er fand ein paar weitere Mosaiksteinchen, die sein Vorhaben zu einem imposanten Gesamtwerk werden ließen. Der Rahmen war längst schon fertig. Den hatte er sich bereits nach einer Woche zurechtgelegt. Danach war es Stück für Stück weitergegangen. Manchmal kam er sich wie ein Komponist vor, der mit Blick auf das große Finale all seine Kraft in die Dramaturgie seiner Oper legt. Es war kein Zufall, dass er auf all seinen Fahrten Verdis »II trovatore« hörte.
Er hatte wahrlich Großes vor. Wollte dies nicht einer ihm unwürdigen Banalität opfern. Wollte komponieren: raffiniert, einmalig, perfekt. Wichtige Teile seines Werkes lagen schon klar vor ihm. Diese richtig zu verbinden erforderte aber bis zur Skrupellosigkeit reichende Kreativität. Manchmal hatte er sich nur aus Spaß noch ein Detail überlegt, eine kleine Wendung, einen verspielten Schlenker. Ja, er hatte Spaß an der Sache, und zugleich führte sie zu einer großen Befriedigung.
Er bog in das flache Seitental ab und überlegte, wie er sie am besten für seinen Plan gewinnen konnte. Sie durfte keinen Verdacht schöpfen, worum es in Wahrheit ging. Dann musste sie so weit Vertrauen zu ihm bekommen, dass sie sich als seine Geschäftspartnerin fühlte. Nun, in diesem Punkt war er in den letzten Wochen wohl auf einem sehr guten Weg gewesen. Er spürte, wie sich seine Hose bei diesem Gedanken zu spannen begann. Die Rolle, die er für sie geschrieben hatte, war nahezu perfekt. Für die Besetzung gab es auch keine Alternative. Nur durfte ihr das zu keinem Zeitpunkt bewusst werden.
Schwieriger gestaltete sich da schon die Suche nach ihrer Nachfolgerin, der die ehrenhafte Aufgabe zuteilwerden sollte, die notwendige Dramatik in dem Schauspiel zu gewährleisten. Ohne sie wäre der Spannungsbogen für das Finale nur flach und schlaff. Er wollte ihn aber bis kurz vor dem Zerbersten biegen, bis die imaginäre kinetische Energie für jeden spürbar wurde, bis alle wussten, dass es kein Zurück, keine Ausflüchte, nur noch den Weg in das endgültige Verderben gab. Und dann: Er hörte regelrecht das scharfe Surren des Pfeils, der unaufhaltsam seinem Ziel entgegenstrebte, bis sein dumpfes Durchdringen des Opfers dessen gesamte Energie in die Macht des Todes verwandelte.
Es war unglaublich einfach gewesen, ihn auszuspionieren; so wie früher, nur diesmal mit einem Ziel. Und der Spaß, sich unerkannt die notwendigen Verbündeten zu suchen: Wenn sich der Vater gegenüber dem Sohne in Hinterlist übte, fiel es nicht schwer, den Sohn für seine Dienste zu gewinnen. Dieser ahnte ja nicht, dass er auch jetzt wieder nur Spielball war, obwohl er das Spiel doch so zwanghaft liebte. Herrlich. Sein Treiben mit den Protagonisten seines Werkes war die Kür, erfüllte ihn mit Vorfreude und Entzücken; die notwendigen technischen Details hingegen waren die Pflicht. Aber auch daran gewann er zunehmend Gefallen.
Er konnte nicht einschlafen, fühlte sich
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