Tod im Netz: Kriminalroman (Oldenburg-Krimi) (German Edition)
für seine Antwort tief Luft holte, fügte der Oberbürgermeister hinzu: »Wissen Sie was, rufen Sie mich doch morgen mal an. Für Sie habe ich immer Zeit, die Langweiler wimmele ich immer schnell ab.« Beide lachten, es klang künstlich und aufgesetzt. »Die Presse ist schon ganz ungeduldig.« Ein groß gewachsener Herr schüttelte Torsten Glanzmann die Hand, als würden sie sich schon ewig kennen. Kai Rentz ärgerte sich, dass er ihn nicht kannte und ihm nicht einmal vorgestellt wurde.
» Gewiss rufe ich Sie morgen an. Und wie läuft es in der Stadtverwaltung?«
» Alles bestens, mit wenig Budget erwarten alle Wunder von mir, und im nächsten Jahr stehen die Wahlen an.« Als die Bedienung sich anderen Gästen zuwandte, kam der Oberbürgermeister ganz nah an Kai Rentz heran und sprach leise: »Die Blonde ist bestimmt eine Rakete im Bett, und zwar so laut, dass die Nachbarn sich beschweren. Ist die neu hier?«
» Ich werde mich da mal erkundigen, vielleicht könnte sie uns nach der Vorstellung noch einen Absacker servieren.« Dabei klopfte er mit der Außenseite der Hand auf die Brust, und beide lachten herzhaft und so laut, dass die anderen Gäste sich zu ihnen umdrehten.
» Herr Oberbürgermeister, wir sehen uns nachher noch in der VIP-Loge«, verabschiedete sich Kai Rentz kurzfristig, um auf den Vorstandsvorsitzenden des örtlichen Stromversorgers, der ‚Oldenburger Elektrizitätwerke OEW‘, zuzugehen. Albert Wonka lenkte die Geschicke des mit über 8.000 Mitarbeitern größten Unternehmens in Oldenburg und im gesamten Nord-Westen von Niedersachsen. Außerdem zeichnete er noch als Vorsitzender des Hochschulrates der Carl-von Ossietzky-Universität in Oldenburg verantwortlich und pflegte beste Verbindungen zu niedersächsischen Wirtschaftsbossen, die bis nach Wolfsburg reichten. Seit langer Zeit buhlte er schon um die Gunst des smarten Naturwissenschaftlers, um ihn für den ‚Club Leonoardos‘ zu gewinnen.
» Herr Wonka…«, mit offenen Armen und breitem Grinsen ging er auf den Firmenchef zu, »…ich begrüße Sie herzlich, schön, dass Sie den Termin wahrnehmen konnten.«
» Ah, Moin, Herr Rentz, ich hoffe, es lohnt sich. Den ganzen Tag jagte eine langweilige Sitzung die nächste. Die Leute meinen immer, so eine Power-Point-Präsentation könnte mich begeistern, aber ich sehe zehn Stück davon am Tag, das ist einfach zum Abgewöhnen. Ich hoffe, Sie haben mehr zu bieten heute Abend.«
» Sie werden begeistert sein.« Kai Rentz griff in die Innentasche seines Smokings und zog eine Einladungskarte hervor. Die mit Gold überzogene Schrift hätte man, anstatt sie zu lesen, auch ertasten können.
Club Leonardos
Members only
»Wir haben nach dem netten Theaterstück, das Sie selbstverständlich in meiner Loge verfolgen werden…«, Kai sah sich verschwörerisch um, berührte mit seinen Lippen fast das Ohr von Albert Wonka und flüsterte: »…einige sündige Überraschungen, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
Beide Männer lachten dreckig los, sodass Herr Wonka sogar husten musste.
»Hier, gönnen Sie sich ein Glas Schampus.«
Wenn er richtig informier t worden war, lebte Albert Wonka nach seiner kostspieligen Scheidung allein. Gerade junge Frauen hatten es ihm angetan. Schließlich wurde ihm eine Affäre mit einer 21jährigen zum Verhängnis. Sein Informant hatte ihm einen ausführlichen Bericht mit den Worten »Der wird noch mal über seinen eigenen Schwanz stolpern« übergeben.
Das Theaterstück von Kafka empfand Kai als reine Zeitverschwendung. Wie bei einem Fünf- Gänge-Menü wartete der süße Teil am Ende auf die Gäste, nach dem Hauptgang. Sein diabolisches Grinsen beim Schlussakkord galt den Gedanken an den 'Nachtisch' im Clubhaus.
Kapitel 6
»Frau Stojkov, erzählen Sie uns einfach, wie der Tag, an dem Elena Wagner verschwand, verlaufen ist. Wir versuchen, die letzten Stunden im Leben Ihrer Kommilitonin zu rekonstruieren. Was hat sie gesagt, mit wem hat sie gesprochen, wie war ihre Gemütslage, sagen Sie uns alles, was Ihnen einfällt«, forderte die junge Kommissarin Eicken ihr Gegenüber auf.
» Na ja, wie jeden Samstag war Elena schon lange auf, als ich so gegen 9.30 Uhr wach wurde. Sie hatte bereits gefrühstückt. Ihre benutzte Müslischale stand in der Spüle. Ich hasse das, wenn das nicht sofort abgewaschen wird. Das habe ich ihr auch oft genug gesagt.« Irina Stojkov sah zu Lisbeth auf, als erwarte sie Verständnis. Diese nickte stumm. «Jedenfalls habe ich mir dann
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