Tod im Netz: Kriminalroman (Oldenburg-Krimi) (German Edition)
selbst Frühstück gemacht und frischen Kaffee aufgesetzt. Ich stellte das Radio an, aber nur ganz leise. Wenn sie sich in ihrem Zimmer zum Lernen eingeigelt hatte, durfte man sie nicht stören. Schließlich hatte sie Montag ihre wichtige Prüfung. Danach ging ich was einkaufen. Mittags haben wir dann gemeinsam Pizza gegessen.«
» Über was haben Sie gesprochen?« Irina Stojkov schaute in Richtung des Bürofensters des Fachkommissariats, als liefe da ein Film ab, der Auskunft über das Gespräch beim Mittagessen geben könnte.
» Sie war ungewohnt wortkarg, nicht so unbeschwert wie sonst. Ich glaube, sie war mit den Gedanken bei ihren Gesetzestexten. Ich wollte sie da auch nicht bedrängen. Sie erzählte, dass ihr nicht der Sinn danach stünde, abends noch fortzugehen. Deswegen wunderte es mich ja, als sie dann später meinte, sie werde noch eine alte Freundin in der Stadt treffen. Als wir schon beim Nachtisch waren, klingelte das Festnetztelefon.«
» Wissen Sie, wer angerufen hat?«, wollte Paul Schweigert wissen.
» Nein, nicht hundertprozentig. Ich konnte ja nur hören, was sie sagte. Aber sie sprach ziemlich vertraut, ich glaube, es war ihr Bruder. Sie nahm das mobile Festnetztelefon mit in ihr Zimmer.«
» Wie lange dauerte das Gespräch?« Irina strich sich eine dunkle Haarsträhne aus dem Gesicht.
» Vielleicht eine halbe Stunde, eher weniger.«
» Was geschah noch an diesem Samstagnachmittag?«
» Einmal klopfte ich an ihre Zimmertür, sie rief mich rein, und ich fragte, ob wir zusammen Kaffee trinken und Kuchen essen wollten. Ich hatte extra leckeren Butterkuchen besorgt. Aber sie wollte nicht.« Eine gewisse Enttäuschung über diese Ablehnung lag in Irinas Stimme. «Sie hat auch nicht gelernt, als ich kurz in ihrem Zimmer war. Ich sah noch, wie sie schnell ein Chat-Fenster schloss, aber ihr Facebookprofil war im Hintergrund geöffnet.« Schuldbewusst sah sie auf. »Also, normalerweise habe ich ihr nicht hinterhergeschnüffelt.«
» Sie haben das ja schon bei unserem ersten Besuch erzählt, dass Sie das öfter bei Ihrer Mitbewohnerin beobachten konnten, können sie uns noch mehr darüber sagen?«
» Das klingt jetzt so, als hätte ich ihre Intimsphäre bewusst verletzt, ich bin keine Stalkerin oder so… aber ja, Sie haben recht, ich hatte den Eindruck, dass es gerade in den letzten Wochen häufiger war als vorher.«
» Das hat auch keiner behauptet. Aber Ihre Beobachtungen und Aussagen helfen uns sehr, Frau Stojkov. Erzählen Sie bitte weiter.«
» Tja, das letzte, was ich Ihnen sagen kann, ist, dass sie plötzlich in der Küche stand, ziemlich aufgebrezelt. Knallroter Lippenstift, Wimperntusche, Rouge, das ganze Programm eben, als wenn sie auf dem Weg zu einem Date wäre. Als ich sie fragte, was sie vorhatte, sprach sie davon, eine alte Schulfreundin treffen zu wollen. Ich dachte mir: Und dafür schmeißt du dich so in Schale , habe aber lieber nichts dazu gesagt, sondern ihr einfach viel Spaß gewünscht.«
» Wann war das, also zu welcher Uhrzeit genau?«
» So gegen neun Uhr muss das gewesen sein. Das Letzte, was sie zu mir sagte, war…«, Irina wischte sich eine Träne aus dem Auge, »…ich weiß nicht, wann ich wiederkomme, könnte spät werden.«
» Wirkte sie denn aufgekratzt, oder war sie aufgeregt, wie vor einem Rendezvous?«, hakte Lisbeth nach.
» Sie wollte sich nichts anmerken lassen. Sie spielte die Gelassene.« Elena sah auf den Fußboden. »Aber sie konnte mir nichts vormachen. Eine gewisse Freude konnte ich ihrem Gesicht ablesen, ihre Augen strahlten.«
Lisbeth Eicken tippte auf dem PC die Sätze ins Protokoll und ließ es ausdrucken, nahm das Papier und legte es Irina vor.
» Frau Stojkov, lesen Sie sich bitte Ihre Zeugenaussage gut durch, und wenn alles stimmt, unterschreiben Sie bitte. Und falls Ihnen noch etwas einfällt, sagen Sie es uns.« Irina nahm das Protokoll nickend entgegen und unterschrieb es, nachdem sie es gelesen hatte.
» Frau Kommissarin?«
» Ja? Ist Ihnen noch etwas eingefallen?«
» Nein, ich wollte nur fragen, ob Sie schon eine Idee haben, wer...«, Elena stockte und sah so aus, als hätte sie etwas Schlechtes gegessen, »…also wer ihr das angetan haben könnte?«
» Nein, wir gehen bisher nur von einem Tötungsdelikt aus. Das ist das Einzige, was wir Ihnen bisher sagen können. Haben Sie eine Ahnung, wer ein Motiv haben könnte?«
» Na ja, ihren Freund schließe ich aus. Warum hätte er so lange warten sollen? Er war sicherlich
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