Tod im Palazzo
Es gab viele geeignet aussehende Sessel, aber alle waren mit Zeitungen und Büchern bedeckt. Schließlich entfernte er einen Aschenbecher und ein Glas von einem Bambushocker, setzte sich vorsichtig darauf und wartete.
Fido kam mit seinem Paß zurück und reichte ihn dem Wachtmeister mit einem merkwürdigen Blick.
»Auf diesem Ding sitzen Sie bestimmt nicht sehr bequem.«
»Geht schon.«
Er öffnete den Paß. »Britischer Staatsangehöriger.«
»Ja. Ähm… ich will Sie nicht nerven, aber ich glaube wirklich, daß Sie in einem Sessel bequemer sitzen.«
»Der Hocker ist prima.«
»Ja schon, aber es ist kein Hocker. Ich meine, es ist mehr ein Beistelltischchen, wenn Sie verstehen, was ich damit meine.«
Der unglückliche Wachtmeister erhob sich. Er würde sich nicht wieder auf das Sofa setzen, um keinen Preis. Der Schock hatte sich gerade gelegt. Rahmen wurden weggenommen. Er bekam einen Sessel neben einem hohen Fenster.
»Nehmen Sie's mir nicht übel, aber Sie haben einen komischen Namen. Klingt nicht sehr englisch.«
»Nicht so verbreitet wie Smith, stimmt. Genau genommen ist es eine Verballhornung von Fitzdieu.«
Und er war achtundvierzig! Wer hätte das gedacht!
»Danke.«
Er gab den Paß zurück und holte sein Notizbuch heraus. »Mir ist berichtet worden, daß Sie ein Porträt der Marchesa Ulderighi malen.«
»Ja. Möchten Sie es sehen?«
Er eilte aus dem Zimmer, und es war unverkennbar, daß er sich freute, seine Arbeit vorzeigen zu können. Die eifrige Miene, mit der er die Leinwand hereintrug und auf eine Staffelei stellte, hatte etwas Kindliches.
»Es ist natürlich noch längst nicht fertig, verstehen Sie, und jetzt, wo sie trauert…«
»Es ist ihr sehr ähnlich.«
Soviel glaubte der Wachtmeister immerhin sagen zu dürfen.
»Hm. Ich bin nicht zufrieden. Mich interessiert die Länge und die Kurve ihres Nackens und das weich fallende Haar – kennen Sie Winterhalters Porträt von Elisabeth von Österreich? Die Haltung habe ich von ihm übernommen, weil es eine bestimmte Ähnlichkeit gibt, wenn auch nur oberflächlich. Bianca hat einen viel stärkeren Charakter.«
Der Wachtmeister stand auf und trat näher. Die Porträtierte blickte aus dem Bild, als wollte sie die Aufmerksamkeit des Betrachters auf zwei Gemälde lenken, die im Hintergrund in massiven Rahmen an der Wand hingen.
»Lucrezia Della Loggia und Francesco Ulderighi«, erklärte Hugh Fido. »Gemalt zur Feier ihrer Verlobung, aber geheiratet haben sie nie, und die Bilder hängen noch heute in Biancas Salon.«
»Wennsienichtandersangezogenwäre…«sagteder Wachtmeister verwundert.
»Dann könnte es dieselbe Frau sein? Tja, das ist gar nicht so überraschend. Von ihr hat Bianca ihr Aussehen.«
»Und arbeiten Sie an dem Porträt im Salon der Marchesa… ich meine, mit diesen beiden Bildern im Hintergrund und so?«
Hugh Fido lachte. »Nein, nein. Ich habe Skizzen der Porträts angefertigt, aber das Bild selbst male ich hier. Ich glaube, Bianca hätte was gegen Farbflecken auf ihren Möbeln – Sie sollten übrigens auch aufpassen.«
Der Wachtmeister sah an seiner Uniform hinunter, fand aber keinen Fleck.
»Sie kommen mit Ihrer Vermieterin ja ganz gut zurecht.«
Im selben Moment erschien ihm diese Bezeichnung für die Marchesa Ulderighi völlig lächerlich, und er kam sich ziemlich töricht vor, fuhr aber fort. »Besser als einige der anderen Mieter.«
»Ach, Sie meinen Flavia. Na ja, Flavia hat ihr gegenüber einen ungeheuren Minderwertigkeitskomplex. Wissen Sie, Bianca ist eine richtige Dame und eine richtige Frau was man sehr selten findet.«
»Mag schon sein«, sagte der Wachtmeister, dessen Minderwertigkeitskomplex gegenüber der Marchesa sehr viel stärker war als der von Dr. Martelli, »aber einige ihrer Argumente treffen durchaus zu. Stört es Sie nicht, daß Sie soviel Miete zahlen und den Aufzug nicht benutzen dürfen und daß der Portier…«
»Du meine Güte, Flavia hat gewütet. Stellen Sie sich doch mal vor, Herr Wachtmeister, was es bedeutet, das eigene Haus nach neunhundert Jahren Glanz und Gloria aufteilen und vermieten zu müssen.«
»Und warum hat sie's getan?«
»Geld, natürlich. Ganz unter uns, Herr Wachtmeister, und ich meine das wirklich so, ich glaube, Corsi hatte in der letzten Zeit angefangen, die Finanzen etwas straffer zu kontrollieren. Das Haus sollte sich selbst tragen. Am meisten ärgert Bianca natürlich die Ballettschule, nicht nur wegen des ständigen Kommens und Gehens, sondern weil sie die
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