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Tod im Palazzo

Tod im Palazzo

Titel: Tod im Palazzo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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nicht gedacht, sondern sich an ein Bild erinnert. Ein düsterer Innenhof, und der Klang einer Flöte hoch oben in einem dunklen Turm. Man konnte das nicht als normal bezeichnen. »Ich meine… er ist vielleicht etwas komisch.«
    Das war auch nicht viel besser. Sie lächelte noch immer, vielleicht lachte sie sogar über ihn.
    »Es ist zu vermuten, daß es mit seiner Gesundheit nicht zum besten steht und daß er, wie Sie es formuliert haben, ein bißchen komisch ist. Wie gesagt, ich habe ihn noch nie gesehen. Soweit ich weiß, geht er nie aus dem Haus. Aber Emilio hat ihn gesehen, denn wenn er sich gut genug fühlt, kommt er Sonntag nachmittags zu den Musikvorträgen – und Catherine hat ihn ein paarmal gesehen. Er sammelt Münzen und Medaillen oder so ähnlich, und sie hat ihm einmal ein paar Sachen mitgebracht, die sie unter dem wasserbeschädigten Zeugs gefunden hat. Sie hatte wohl nicht den Eindruck, daß er komisch war. Er saß die ganze Zeit an seinem Schreibtisch am Fenster und beschäftigte sich mit seiner Sammlung und beobachtete, was im Hof vor sich ging. Ich weiß, er hat ihr leid getan, aber sie hat auch gesagt, daß er überaus intelligent ist. Oh… Sie glauben doch nicht etwa…«
    »Nein, nein, ich glaube nichts dergleichen.«
    Sie guckte enttäuscht. Es war klar, daß eine »Geisteskranker- erschießt-Vater«-Story sie in ihrer Einstellung gegenüber diesen Leuten bestätigen würde. Der Wachtmeister hatte schon genug Ärger am Hals, auch ohne solche Gerüchte im Palazzo Ulderighi.
    »Behördlicherseits besteht der Verdacht«, log er einigermaßen pompös, »daß das Opfer durch einen unglücklichen Zufall beim Gewehrreinigen zu Tode kam. Natürlich muß ich diese Ermittlungen führen, damit ausgeschlossen werden kann, daß er sich möglicherweise das Leben genommen hat.«
    »Na ja«, sagte Dr. Martelli unbeeindruckt, »ich nehme an, Sie wissen selbst am besten, was Sie zu tun haben, aber trotzdem…«
    – sie lehnte sich in dem großen weißen Sessel zurück und strich sich ein paar braune Locken aus der Stirn –, »niemand wird mir einreden können, daß es etwas anderes als Selbstmord war. Völlig lächerlich. Nachts um halb drei hinunterfahren, um ein Gewehr zu reinigen.«
    »Niemand kann das beweisen.«
    »Ich habe Ihnen doch gerade erzählt, daß ich ihn gehört habe!«
    »Sie haben den Aufzug gehört.«
    »Was? Ach ja… Sie haben recht. Nun, wie gesagt, Sie wissen selbst am besten, was Sie zu tun haben. Um wieviel Uhr ist er denn gestorben?«
    »Der Obduktionsbericht liegt noch nicht vor.«
    Er verschwieg, daß er ihn nie zu sehen bekommen würde. Er fühlte sich sehr unwohl in seiner Haut. Diese Frau war alles andere als dumm, und er hatte keine große Lust, ihr offizielle Lügen aufzutischen, während sie ihn mit lebhaften und klugen Augen beobachtete. Aber es war nicht nur das. Es war… »Aus Ihnen werde ich nicht schlau«, unterbrach sie ihn in seinen Gedanken. »Diese Unfallversion – das ist genau das, was Leute wie die Ulderighi behaupten werden, um einen Skandal zu vermeiden und um die Versicherungssumme kassieren zu können, und wenn das der offizielle Standpunkt ist, dann müssen Sie ihn natürlich genau so vertreten, wie Sie es gerade getan haben. Soweit kann ich Ihnen folgen. Und doch schienen Sie wirklich davon überzeugt zu sein, als Sie meine Selbstmordtheorie zurückwiesen oder gar die Vermutung, daß der Sohn oder eine andere Person dahinter stehen könnte.«
    Lachend rief sie, und fast schien es, als lachte sie ihn aus: »Also, was ist Ihrer Ansicht nach denn wirklich passiert?«
    Er hatte Glück, daß ihn die Türklingel davor bewahrte, antworten zu müssen, denn er wußte selbst nicht, was er darauf hätte sagen sollen.
    Während Dr. Martelli zur Tür ging, sah er auf seine Uhr. Er müßte weiter. Es hatte keinen Sinn, mehr Zeit als unbedingt notwendig auf diese Besuche zu verwenden, da er ja nichts herausfinden durfte. Die Frau sprach ziemlich schnell mit jemandem, es klang wie Flüstern. Sprach sie über ihn, wimmelte sie seinetwegen den Besucher ab? »Komm später wieder, wenn er gegangen ist, und ich werde dir alles erzählen. Er scheint ein bißchen dumm zu sein und widerspricht sich andauernd.«
    Das war nicht, was er hörte. Er konnte kein Wort verstehen. Er wurde allmählich zum Paranoiker, das war's. Dieses Haus machte ihn fertig, er fühlte sich unwohl in seiner Haut, unsicher.
    »Es ist Hugh!«
    Dr. Martelli kam zurück, begleitet von einem hochgewachsenen

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