Tod im Pfarrhaus
einmal wusste Irene, was Sache war.
»Wie heißt er?«, rief sie zu Katarina hoch.
Erstaunt steckte ihre Tochter den Kopf durch die Tür.
»Er? Woher weißt du …?«
Dann lachte sie.
»Johan.«
Eilig verschwand sie wieder in ihrem Zimmer. Irene lächelte und hatte das Gefühl, eine sehr tüchtige Ermittlerin zu sein.
Als sie eine Weile später wieder an die Schytte lius-Morde dachte, verschwand dieses Gefühl wie ein Tautropfen in der Wüste. Wenn ihre Londonreise nichts ergab? Vielleicht hatte Rebecka wirklich nicht den blassesten Schimmer, was das Motiv für die Morde oder den Täter anging. Die letzten Jahre hatte sie schließlich nicht in Schweden gewohnt. Zu ihrer Familie schien sie auch keinen regen Kontakt gehabt zu haben. Von Rebecka waren weder Briefe noch Postkarten an ihren Bruder oder ihre Eltern gefunden worden.
Plötzlich kam ihr ein Gedanke: die Computer. Alle hatten Computer gehabt. Vielleicht hatten sie ja E-Mails ausgetauscht oder gechattet … Die Festplatten waren zerstört. Aber vielleicht war was auf Disketten gespeichert? Irene, die gerade dabei war, den Stecker des Bügeleisens herauszuziehen, hielt mitten in der Bewegung inne.
Disketten. Weder bei Sten noch bei Jacob hatten sie eine einzige Diskette gefunden. Warum eigentlich? Wenn der Mörder die Disketten mitgenommen hatte? Wie ließen diese sich idiotensicher zerstören? Sie nahm sich vor, dem am nächsten Morgen als Erstes nachzugehen.
Direkt nach der Morgenbesprechung am Mittwoch klingelte das Telefon in Irenes Büro. Sie rannte durch die Tür und warf sich über den Schreibtisch, um zu antworten.
»Inspektorin Huss.«
Am anderen Ende hörte sie jemanden schwer atmen.
»Hallo? Wer ist da bitte?«, fragte Irene ruhig.
Jemand räusperte sich nervös.
»Ja … ich weiß nicht recht, ob ich überhaupt anrufen soll, aber hier ist Pfarrer Urban Berg aus Bäckared.«
»Guten Morgen.«
»Guten Morgen. Ich frage mich … es ist so, dass ich etwas erfahren habe, was vielleicht überhaupt nichts mit den Morden zu tun hat, aber schließlich weiß man nie …«
»Soll ich zu Ihnen rauskommen, damit wir uns unterhalten können, oder lässt sich das auch telefonisch regeln?«
»Naaein … Ich muss heute sowieso in die Stadt … Könnte ich Sie nicht heute Nachmittag besuchen? Mir wäre es allerdings sehr recht, wenn niemand erführe, dass ich mit Ihnen gesprochen habe.«
»Wann passt es Ihnen?«
»Nach zwei. Geht das?«
»Natürlich. Sagen Sie am Empfang Bescheid, dann hole ich Sie unten ab.«
»Danke.«
Es war zu hören, wie erleichtert er war.
Nachdem Irene aufgelegt hatte, saß sie eine Weile da und dachte nach. Was hatte Urban Berg erfahren, was er ihr am Telefon nicht anvertrauen konnte? Würde das den Durchbruch bringen, auf den alle hofften? Aber das war vermutlich reines Wunschdenken.
Irene widmete den gesamten Vormittag der lästigen Verwaltungsarbeit. Als sie anschließend, ehe sie kurz vor eins zum Mittagessen ging, ihren leeren Schreibtisch betrachtete, war sie sehr zufrieden mit sich. In der Kantine der Staatlichen Krankenversicherung gab es ein ganz passables Hühnerfrikassee. Sie hielt nach Tommy sowohl im Präsidium als auch in der Kantine Ausschau, konnte ihn aber nirgends entdecken. Wahrscheinlich ging es im Speedy-Fall vorwärts. Das konnte man von ihrer Ermittlung nicht behaupten. Sie hätte gerne gewusst, welchen Eindruck Tommy damals von Urban Berg gehabt hatte, als er ihn befragt hatte. Sie konnte sich nur daran erinnern, dass Urban Berg seinen Kollegen Bengt Måårdh als einen Schürzenjäger bezeichnet hatte. Das war vielleicht nicht ganz unwahr. Bengt war gut aussehend und charmant.
Irene erinnerte sich, dass ihr Urban Berg damals bei ihrer kurzen Begegnung im Gemeindehaus eher steif vorgekommen war. Laut Bengt Måårdh trank er zu viel.
Als was hatte Tommy die beiden Pfarrer noch bezeichnet? Jetzt erinnerte sie sich wieder: als Klatschweiber. Sie hatten über einander Gerüchte verbreitet. Ein Grund war sicherlich, dass sich beide um die Stelle des Hauptpfarrers beworben hatten. Bengt Måårdh war so in Fahrt gewesen, dass er auch noch ausgeplaudert hatte, dass Jonas Burman möglicherweise homosexuell war und sich für besonders fromm und rechtgläubig hielt. Erwartungsvoll fuhr sie wenig später mit dem Aufzug nach unten, um Urban Berg abzuholen. Die Dame vom Empfang hatte ihn um Punkt zwei Uhr bei ihr angemeldet.
Er drückte sich im Foyer neben dem Bücherregal an die Wand. In diesem
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