Tod im Pfarrhaus
die Theorie von dem durch den Wald wandernden Mörder lanciert hatte.
»Die ersten hundertfünfzig Meter hinter dem Sommerhaus sind ziemlich mühsam, aber dann kommt eine Überlandleitung, und die führt direkt nach Kullahult! An einigen Stellen führt die Überlandleitung über Wiesen und Zäune, aber nirgends in die Nähe von Häusern, erst wenn man fast in Kullahult ist. Trotzdem ist es kein Problem, ungesehen zum Pfarrhaus zu kommen.«
Fredrik sah von der Karte auf, um sicherzugehen, dass ihm auch alle zuhörten. Irene, Hannu und Kommissar Andersson saßen am Tisch, und Fredrik konnte sich kaum über mangelnde Aufmerksamkeit beklagen. Angespornt fuhr er fort:
»Die Leitung führt über die großen Äcker hinter dem Pfarrhof. Wenn man quer über den Acker geht, kommt man also hinter dem Hügel mit der Kirche heraus. Da sind überhaupt keine Häuser. Der Hof, zu dem die Äcker gehören, liegt auf der anderen Seite des Hügels, zu weit weg, um von dort sehen zu können, ob sich bei der Kirche was regt.«
»Man kann also eine Taschenlampe benutzen, ohne befürchten zu müssen, gesehen zu werden«, stellte Hannu fest.
»Richtig. Aber um ganz sicher zu gehen, sollte man am Rand des Ackers entlangwandern. Ich bin gestern um elf noch mal rausgefahren, um das zu kontrollieren. Kein Problem, ohne Taschenlampe zurechtzukommen, wenn man am Waldrand entlanggeht. Die Sache ist nämlich die, dass der Wald bis zum Hügel mit der Kirche reicht. Dort beginnt eine hohe Mauer. Geht man die entlang, kommt man zu der Tannenhecke auf der Rückseite des Pfarrhofs. Dort habe ich es gemacht wie Irenes Hund.«
Fredrik legte eine Pause ein und lächelte pfiffig.
»Was zum Teufel macht Irenes Hund?«, wollte der Kommissar ungeduldig wissen.
»Er folgt dem Wild. Ich bin den Rehen gefolgt. Sie haben nämlich eine Lücke in die Hecke getram pelt. Die Tulpen im Garten locken sie an. Für mich war die Lücke eine Spur zu eng, aber mit etwas Mühe kam ich durch. Ich kann dafür garantieren, dass der Mörder denselben Weg genommen hat.«
Der Triumph in seiner Stimme war nicht zu überhören. Die anderen schwiegen, denn es war Fredriks Vorstellung. Und er gedachte, alles aus ihr herauszuholen.
»An der besagten Stelle, dem Durchgang, fand ich eine Fußspur und einen roten Wollfaden. Ich rief die Spurensicherung, ehe ich selbst durch die Öffnung kroch. Sie haben den Faden an sich genommen und von dem Abdruck einen Abguss gemacht. Heute Morgen bin ich schon bei Åhlén und seinen Leuten gewesen. Sie sagen, es sei dieselbe Wolle wie die von den Fäden, die Irene und ich gefunden haben. Die Theorie von dem Mörder mit der Pudelmütze hat also Bestand.«
Irene kicherte, riss sich aber zusammen, als sie merkte, dass sie die Einzige war. Hannu und der Kommissar saßen ganz konzentriert da. Fredrik wusste, dass er das volle Interesse seiner Zuhörer hatte, und fuhr fort:
»Der Schuhabdruck war perfekt. Der Regen hatte ihm unter der Hecke nichts anhaben können. Er stammt von einem Adidas-Turnschuh Größe vierundvierzig. Laut Åhlén handelt es sich um ein Wintermodell, eine Art Wanderstiefel.«
»Goretex«, meinte Hannu.
»Wahrscheinlich. Leicht, warm und wasserdicht. Die Spurensicherung versucht rauszukriegen, um welches Modell es, sich genau handelt.«
»Wir suchen also immer noch einen kleinwüchsigen Mann mit Pudelmütze, dessen große Füße in Goretex-Wanderstiefeln stecken. Der sollte doch wohl zu fassen sein«, sagte Irene kichernd.
Anderssons düsterer Blick vertrieb ihre Munterkeit rasch. Vor ihrem inneren Auge konnte sie den kleinen Mann mit der Pudelmütze sehen, der sich durch den Wald kämpfte und über seine großen Schuhe stolperte. Als sie sich eine Sekunde später daran erinnerte, was er mit seinen Opfern angestellt hatte, fand sie es schon nicht mehr so komisch.
»Ich habe gestoppt, wie lange man von einem Tatort zum anderen braucht. Eine Stunde und fünf Minuten«, schloss Fredrik.
Irene berichtete von Urban Bergs Besuch, und Hannu versprach zu prüfen, ob es eine Grundlage für die Vorwurfe gegen Louise Måårdh gab. Ein Motiv für die Morde konnte sein, die Spuren einer Unterschlagung zu verwischen. Da müsste es jedoch um viel Geld gehen, dachte Irene.
KAPITEL 12
Um Viertel nach sechs war es auf dem Flughafen Landvetter sehr ruhig. Irene hatte ihre kleine Tasche aufgegeben und stolperte verschlafen auf das nächste Café zu.
»Große oder kleine Tasse?«, zwitscherte das lächelnde Mädchen hinter dem
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