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Tod im Pfarrhaus

Tod im Pfarrhaus

Titel: Tod im Pfarrhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Tursten
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türmten sich am Horizont auf und näherten sich rasch dem Strand. Was noch vor einem Augenblick warm und angenehm gewesen war, war plötzlich kalt und bedrohlich. Irene fror, wusste aber nicht, was sie tun sollte, damit ihr wieder warm wurde. Arme und Beine waren schon vollkommen steif gefroren und weigerten sich zu gehorchen. Sie bekam furchtbare Angst, als sie begriff, dass sie gelähmt war und erfrieren würde. Regen und Kälte kamen unerbittlich näher, und die Flut würde sie bald hinaus in das eiskalte Meer spülen. Zu allem Überfluss begann es zu donnern.
    Mit einem Ruck setzte sich Irene in dem kalten Badewasser auf. Es donnerte immer noch, und erst nach einer Weile begriff sie, dass es klopfte. Zitternd vor Kälte stand sie auf und wickelte sich in das große weiße Badetuch. Schlotternd ging sie die Tür einen Spaltweit aufmachen. Draußen stand Estell.
    Ihr Haar war ebenso tadellos hochgesteckt wie am Morgen. In ihrem anliegenden elfenbeinweißen Kleid und den dazu passenden Schuhen war sie atemberaubend schön. Über ihrer Schulter hing eine Jacke, die ebenfalls mit dem Kleid harmonierte. Sie lächelte und sagte:
    »Hallo. Sind Sie fertig?«
    »Nein … ich bin in der Badewanne eingeschlafen.«
    »Sie Ärmste. Sie sind heute natürlich schon sehr früh aufgestanden und waren dann den ganzen Tag unterwegs. Kein Wunder, dass Sie eingeschlafen sind. Es ist erst Viertel nach. Ich rufe an und sage, dass wir uns verspäten.«
    Sie lächelte freundlich und ging dann über den dicken Teppichboden davon, ohne über ihre hohen Absätze zu stolpern. Gewisse Frauen können das, andere nicht. Irene gehörte definitiv zur letzten Kategorie.
    Blitzschnell duschte Irene heiß und kalt, um ihren Blutkreislauf wieder in Schwung zu bringen. Sie hatte die Haare noch nicht gewaschen, aber es müsste genügen, sie mit dem Hotelföhn ein wenig zu trocknen. Sie streifte das blasslila Top über und zog dann den blauen Leinenanzug an. Zweimal strich sie sich rasch mit der Wimperntusche über die Wimpern, dann fuhr sie sich mit dem neuen Lippenstift über die Lippen, und schon war sie bereit, hinunter zur wartenden Estell zu gehen. Im letzten Moment erinnerte sie sich an den Schmuck. Ein Geschenk von Krister zu ihrem Vierzigsten. Mit ein paar schnellen Handgriffen ersetzte sie ihre silbernen Ohrringe durch bedeutend größere aus Gold. Dann legte sie sich die lange Kette mit dem hübschen Goldei um den Hals. Kristers Cousine, Goldschmiedin in Karlstad, hatte es angefertigt. Es war der teuerste Schmuck, den Irene je besessen hatte, und sie liebte ihn. Ein Blick in den Spiegel bestätigte ihr, dass sie für einen Restaurantbesuch in London gerüstet war.
     
    »Nicht schlecht. Sie haben es in zwölf Minuten geschafft«, sagte Estell.
    Sie verließen das Hotel und gingen etwa hundert Meter die Straße entlang. An der Ecke in einem großen Ziegelgebäude lag das Vitória. Südamerikanische Rhythmen drangen auf die Straße. Im Lokal herrschte Karnevalsstimmung. An einem langen Tisch saßen etwa dreißig Personen. Alle Altersgruppen waren vertreten. Alle sangen mit, hoben die Gläser und prosteten sich zu. Irene musste fast schreien, um die Musik zu übertönen.
    »Gibt es was zu feiern?«
    »Hat Glen Ihnen das nicht gesagt?«, fragte Estell erstaunt.
    »Nein. Was?«
    »Mama wird fünfundsechzig.«
    »Aber da kann ich doch nicht kommen und …«
    In ihrer Verwirrung fiel Irene das Wort für stören nicht ein. Estell lächelte und sagte:
    »Sie stören überhaupt nicht. Es war Mamas Idee, dass Glen Sie einlädt. Sie fand es schade, dass Sie hier in der großen Stadt ganz allein herumsitzen. Mama liebt es, sich mit Menschen zu umgeben.«
    Eine füllige Dame in einem feuerroten, wehenden Kleid kam lächelnd und mit ausgebreiteten Armen auf sie zu.
    »Willkommen! Jetzt kann das Fest wirklich beginnen, denn jetzt sind alle da! Sie sind mir besonders willkommen, Irene! Ich heiße Donna!«
    Im nächsten Augenblick lag Irene in den kräftigen Armen ihrer Gastgeberin, deren graue Mähne nach Parfüm und Essen duftete.
    Diese hielt Irene ein Stück von sich weg und sah hoch in ihr Gesicht:
    »Wenn alle Polizisten in Schweden so groß sind, dann könnten Sie mir doch einen Kollegen im passenden Alter rüberschicken. Ich liebe große Männer!«
    Sie lächelte, und für den Bruchteil einer Sekunde sah Irene das bleiche, etwas aufgedunsene Gesicht von Kommissar Andersson vor sich. Er konnte jemanden gebrauchen, der sein kommendes Rentnerdasein etwas

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