Tod im Sommerhaus
Überraschungsmoment kaum so ohne weiteres gelungen wäre, ihn zu überwältigen. Lindberg war zwar sicher mindestens zwanzig Kilo leichter, aber daher umso beweglicher.
Außerdem war er zehn Jahre jünger und hatte einen kompakten, muskulösen Körper, der explosive Stärke ausstrahlte. Aber Lasse Henning fand, dass er weder bedrohlich noch aggressiv wirkte. Zumindest nicht jetzt. Weder seine Haltung noch seine Stimme deuteten das an. Er wirkte eher nachdenklich und ein wenig abwesend.
»Es ist etwas passiert«, sagte er nach einer Weile. »So viel ist mir klar. Aber Sie wollen mir nicht sagen, was, und das verstehe ich auch.«
»Sie müssen sich mit Magnusson unterhalten«, meinte Lasse Henning abweisend. »Ich kann Ihnen nichts sagen.«
Bosse Lindberg nickte, schloss die Augen und lehnte sich zurück. Lasse Henning betrachtete ihn, entspannte sich dann ebenfalls, warf einen Blick zur Diele und überlegte sich, wie lange es wohl dauern würde, bis die Streife auftauchte. Er hoffte, dass die Kollegen gelassen blieben und nicht bei ihm hereinstürmten, dass Giselas Zierteller von der Wand fielen …, als wären sie in einer Fernsehserie.
Als er wieder aufblickte, war es bereits zu spät. Lindberg war aufgestanden, hatte den Couchtisch gepackt und in seine Richtung geschleudert. Er kippte mit dem Stuhl nach hinten, den Tisch über sich, und schlug mit dem Hinterkopf auf das Parkett.
Alles verschwamm. Er spürte einen stechenden Schmerz im Hals, als sich die Tischkante in seinen Kehlkopf bohrte.
Röchelnd rang er nach Luft. Dann ließ der Druck auf seinen Hals nach, und er konnte wieder atmen. Lindberg presste ihn jedoch zu Boden.
»Ich habe es mir anders überlegt«, sagte er. »Ich mache mich lieber doch nicht mit Ihnen zusammen auf den Weg. Das könnte noch böse enden.«
Er schöpfte Atem.
»Ich habe übrigens noch eine Frage. Sie haben nicht zufällig von einem Journalisten gehört, der sich für meine unbedeutende Person interessiert, oder gar von Ihnen in die Sache eingeweiht worden ist?«
Er starrte mit ausdrucksloser Miene, die wie eine starre Maske wirkte, auf Lasse Henning hinunter und verstärkte den Druck auf seinen Hals. Lasse Henning spürte, wie seine Zunge an den Gaumen gepresst wurde. Er versuchte zu schreien, aber es drang kein Laut über seine Lippen.
Dann ließ der Druck nach. Lindberg hatte sich aufgerichtet.
»Das war nur eine kleine Ermahnung. Manchmal ist es von Vorteil, nichts zu unternehmen und sich auch nicht einzumischen.«
Gemächlich schlenderte er in die Diele, öffnete die Wohnungstür und verschwand nach draußen.
Lasse Henning blieb liegen, hustete und versuchte zu schlucken. Dann kippte er den Tisch zur Seite und stand auf. Es fiel ihm immer noch schwer zu atmen, und sein Kehlkopf schmerzte. Er fühlte sich so einfältig wie nie zuvor in seinem Leben. Seine eigene Dummheit ärgerte ihn maßlos.
Der dunkle Fluss
Nielsen bog auf die Statoil-Tankstelle ein, fuhr an die Zapfsäule und stieg aus. Während er tankte, las er die Schlagzeilen über den Mord an Anneli Holm. In der Schlange vor der Kasse blätterte er rasch die Zeitungen durch. Die Presse wusste noch nichts über die Verbindung zwischen Lindberg und den Morden in Rönnåsen.
Er zahlte und ging zum Wagen zurück. Er dachte darüber nach, was Lasse Henning ihm in der Nacht zuvor am Telefon erzählt hatte.
Anneli Holm war im Schuppen eines Sommerhauses etwa fünfzig Kilometer von Gävle entfernt gefunden worden.
Erdrosselt mit einer Wäscheleine. Im Sommerhaus hatte außerdem die Leiche einer weiteren Person gelegen, eines Mannes Mitte dreißig, der etwa zur selben Zeit an einer Überdosis gestorben war. Auf der zum Mord an Anneli Holm verwendeten Schlinge waren seine Fingerabdrücke gefunden worden.
Der Mann hatte zur Clique von Anneli Holm und Bo Lindberg gehört. Eigentlich hatte man in dem Sommerhaus nach ihm gesucht, da einiges darauf hingedeutet hatte, dass er in den Doppelmord in Rönnåsen verwickelt sein könnte.
Danach hatte Lasse Henning einen Moment geschwiegen, tief Luft geholt und von Lindbergs Besuch erzählt.
»Soll das ein Scherz sein?«, hatte Nielsen nach einem Augenblick gefragt.
»Ich finde nicht, dass es so lustig klingt«, hatte der andere erwidert. »Du etwa?«
Nielsen hatte lächeln müssen.
»Nein, nicht unbedingt«, antwortete er.
»Kannst du das irgendwie erklären?«
»Nein«, antwortete Lasse Henning einsilbig.
»Und nichts deutete darauf hin, dass er etwas mit den
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