Tod im Sommerhaus
begegnet war, denn dieser hatte soeben angerufen und mitgeteilt, sie müssten sich sehen, ehe es zu spät sei. Nielsen hatte die absurde Logik hingenommen und wollte sich anziehen, fand aber keine Kleider. Verzweifelt hatte er überall gesucht, aber nirgends etwas zum Anziehen gefunden. Er würde nicht wegkommen …
Es dauerte eine Weile, bis er begriff, dass das Telefon schon länger klingelte und den Traum ausgelöst hatte. Ungelenk tastete er nach dem Hörer und hielt ihn ans Ohr.
»Sie scheinen sich für mich zu interessieren?«
Als er die Stimme hörte, war er sofort hellwach. Er antwortete jedoch nicht sofort.
»Conny hat Sie also angerufen? Damit hatte ich gerechnet.«
Einen Moment blieb es still, dann lachte der andere leise.
»Und das soll ich Ihnen glauben? Dass Sie nur darauf gewartet haben, meine Stimme zu hören? Das ist doch recht unwahrscheinlich, finde ich.«
Trotz des Lachens glaubte Nielsen, Verärgerung und Verbissenheit in der Stimme des Mannes zu hören. Als hätte ihn die Möglichkeit, dass ihn jemand beeinflusst und seine Handlungen vorausgesehen haben könnte, aus dem Gleichgewicht gebracht. Er wartete wieder, ehe er etwas sagte.
»Wir sollten uns treffen, Lindberg.«
»Wieso das?«
»Es könnte Ihnen vielleicht nützen.«
Lindberg lachte wieder.
»Glauben Sie das? Da bin ich mir nicht so sicher wie Sie.«
»Sie wissen, dass Anneli tot ist?«, fragte Nielsen.
In der Leitung blieb es still.
»Ich weiß«, erwiderte der andere schließlich. »Und ich bin schuld, nicht wahr?«
»Sieht nicht so aus«, meinte Nielsen.
»Ach, nein? Aber man wird mir trotzdem die Schuld zuschieben. Genau wie für alles andere auch. Er wird schon dafür sorgen.«
»Wer?«, fragte Nielsen. »Wer wird dafür sorgen, meinen Sie?«
Als er weitersprach, war seine Stimme leiser, die Worte waren unzusammenhängend, als würde er ein Selbstgespräch führen.
»Ich weiß nicht, woher er kommt … Wo kommt er her? Wie kann er …«
Er verstummte erneut.
»Wir können uns zu einem Gespräch treffen«, warf Nielsen ein. »Einfach nur unterhalten.«
Nach einer Weile hörte er Lindberg wieder lachen.
»Das klingt nach einer Einladung zu einem beknackten Kaffeekränzchen. Wahrscheinlich kommt der Rest des Nähkränzchens auch?«
Er schien nachzudenken und dabei mit den Fingerspitzen auf einen Tisch zu trommeln.
»Nein, wir wollen uns lieber nicht treffen«, meinte er schließlich. »Das hätte wenig Sinn, oder, Nielsen? Vom Reden wird man nur heiser.«
Seine Stimme klang wieder so spöttisch wie zu Beginn des Gesprächs.
»Was haben Sie vor?«, fragte Nielsen.
»Neugierig?«
»Ja«, erwiderte Nielsen. »Das bin ich.«
»Gut so.«
Lindberg lachte wieder, diesmal war es fast ein Kichern, dann legte er auf.
Sie hörte ihn die Kellertreppe herunterkommen und stehen bleiben, als horche er. Dann schepperte das Schloss, die Tür öffnete sich, und er drehte den Lichtschalter. Nichts geschah. Er blieb in der Tür stehen und spähte in die Dunkelheit. Das Kellerfenster war mit Brettern vernagelt, und es dauerte eine Weile, bis sich seine Augen an die Finsternis gewöhnt hatten.
Dann entspannte er sich, ging ein paar Schritte und blieb ein Stück von ihr entfernt stehen.
Reglos lag sie da. Hände und Füße waren am Heizkessel festgezurrt. Doppeltes Klebeband über dem Mund. Die Augen geschlossen.
»Ich dachte schon, du wärst auf dumme Gedanken gekommen.
Hättest dir am Licht zu schaffen gemacht. Wärst ungehorsam gewesen. Aber da habe ich mich geirrt. Du liegst immer noch da und wartest ganz lieb auf mich.«
Er stieß sie mit dem Fuß an und wartete einen Augenblick.
Dann beugte er sich über sie.
»Aber jetzt versuchst du mich zu leimen, nicht wahr? Ich soll glauben, du seist bewusstlos. Aber ich werde dich schon wecken. Wetten?«
Er richtete sich auf und trat ihr mit aller Kraft in den Bauch.
Sie schrie auf, aber das Klebeband verwandelte den Schrei in ein lang gezogenes, ersticktes Stöhnen.
»Aber Katja, so was will ich nicht hören. Das klingt doch gar nicht nach dir. Das ist nicht dein Stil.«
Er trat wieder zu, und sie schrie auf, verstummte aber rasch wieder. Sie versuchte, mit den Armen ihren Bauch zu schützen.
»Das klang schon besser, zivilisierter.«
Er trat einen Schritt zurück. Dieses Mal nahm er Anlauf und zielte genau. Sie schrie nicht mehr, sondern stieß nur ein dumpfes Röcheln aus.
»So ist es gut. Kein Gejammer. Du lernst es langsam. Man kann sich solche Unsitten mit
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