Tod im Staub
unseren Gleiter allerdings kein Hindernis war. Am anderen Ufer gab es Stacheldraht, Baracken für die Wachtposten und Geschützstellungen und all die üblichen anderen Einrichtungen, die eine Grenze kennzeichnen; nachdem ein Wachtposten uns mit einer Signalflagge ein Zeichen gegeben hatte, bogen wir ab, folgten dem Flußlauf und fuhren von der Seeseite in die Bucht von Walvis Bay hinein.
Wir hatten keine Zeit, die phantastische Architektur zu bewundern, denn man machte uns jetzt deutlich, daß man uns zwar gerettet hatte, wir jedoch trotzdem als Gefangene betrachtet würden. Thunderpeck und ich bekamen Handschellen angelegt, bevor wir aus dem Gleiter aussteigen durften. Dann führte man uns über eine breite Allee in ein hohes weißes Gebäude.
»Wohin bringen Sie uns?« fragte ich den großen schwarzen Mann.
»Ich muß die Instruktionen meiner Vorgesetzten abwarten, die darüber entscheiden, was mit Ihnen geschehen soll. Es hat keinen Zweck, daß Sie mir Fragen stellen.«
»Wer sind Ihre Vorgesetzten?«
»Ich habe Ihnen gesagt, daß es keinen Zweck hat, mir Fragen zu stellen!«
Das Gebäude, das wir jetzt betraten, war kein Gefängnis. Es wirkte eher wie ein Luxushotel, dessen Luxus allerdings noch nicht perfektioniert war. Das Foyer war außerordentlich üppig eingerichtet und mit exotischen Hölzern getäfelt, an der Decke prangte eine dreidimensionale Darstellung des Nachthimmels, und überall standen prachtvolle Blattpflanzen und Bäume, von denen einige direkt aus dem Boden zu wachsen schienen. Aber der Fußboden bestand aus nacktem Beton, der an einigen Stellen aufgemeißelt war, so daß man die darunter verlaufenden Kabel und Leitungen sehen konnte. Mitten im Raum standen die Gerüste der Zimmerleute, und an einem Wandmosaik lehnten Isolierplatten. Die Treppen waren prachtvoll ausgelegt, doch wurde die beabsichtigte Wirkung durch die Leitern der Dekorateure ruiniert, die man gegen das Treppengeländer gelehnt hatte.
Drei Männer saßen rauchend vor einer Schmucksäule, als wir vorbeigingen; sie schenkten uns keine Beachtung. Wir wurden in den ersten Stock gebracht und voneinander getrennt. Thunderpeck wurde durch eine Tür gestoßen, ich durch eine andere. Der Mann, der uns in der Wüste gefunden hatte, kam mit mir.
Er filzte mich, offensichtlich mit Widerwillen, nahm alles, was ich in den Taschen hatte, heraus und warf es in einen Beutel, der auf einem Tischchen lag. Hilflos mußte ich zusehen, wie die seltsamen Briefe Justines in dem Beutel verschwanden.
Nachdem er mir alles abgenommen hatte, nickte er mir bedeutungsvoll zu.
»Gedulden Sie sich ein Weilchen und machen Sie keine Dummheiten; ich komme gleich wieder.« Er nahm den Beutel und ging hinaus. Ich hörte das Türschloß zuschnappen.
Ich befand mich in einer Art Waschraum, der noch eine Tür hatte. Bevor ich diese untersuchte - ich war ziemlich sicher, daß sie verschlossen war -, stolperte ich zum Waschbecken und drehte den Kaltwasserhahn auf, denn ich war von den Anstrengungen des Tages völlig erschöpft. Nur ein paar Tropfen rostbraunes Wasser kamen heraus, dann nichts mehr. Ich versuchte es mit dem Warmwasserhahn - nichts. Im Becken hatte sich Staub angesammelt.
Von einer plötzlichen Übelkeit überwältigt, setzte ich mich auf das Tischchen und schloß die Augen. Sofort schien sich die Welt rasend schnell von mir zu entfernen. Erschreckt versuchte ich, die Augen wieder aufzumachen. Die Lider waren bleischwer. Durch die Wimpern hindurch sah ich - wie ein Mann, der durch die Gitterstäbe seiner Todeszelle seinen Henker herannahen sieht - die Gestalt vor mir. Ich konnte nichts dagegen tun.
Das Phantom schien aus weiter Ferne zu kommen und hielt seinen bösen Blick starr auf mich gerichtet. Diese schwarze Visage! Wie hatte sie die Macht, mein Bewußtsein zu lähmen? Die Gestalt kam näher, stand dicht vor mir und befreite mich von den Handschellen. Dann wich die Welt wieder zurück, für wie lange, weiß ich nicht. Als ich wieder zu mir kam, erblickte ich eine schöne Frau, die mich mit rätselhaftem Blick musterte.
7
Unermeßlichkeit. Das ist ein Bestandteil meiner Illusion, und es bereitet mir Mühe, für dieses Gefühl Worte zu finden. Selbst die kurze Zeit, die ich zwischen Wüste und Meer entlangtrottete, auf der Suche nach der Geborgenheit einer Stadt, war ich mir der Unermeßlichkeit von Wüste und Meer bewußt. Ich wußte, daß diese beiden großen Schöpfungen im Gefüge unseres Planeten eine grundlegende Rolle
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