Tod im Tal der Heiden
Zielsicher strebte Fidelma der Stelle zu, an der sie die Leichen der niedergemetzelten jungen Männer gefunden hatten. Als sie sie erreichten, war es völlig hell geworden. Der Blick ging ungehindert in alle Richtungen. In den zwei vergangenen Tagen hatten die Raben ganze Arbeit geleistet. Die weißen Knochen der Skelette lagen verstreut, und es waren kaum noch Reste von Fleisch daran. Eadulf schüttelte sich, als er all die Knochen sah, die im matten Licht schimmerten.
Fidelma warf kaum einen Blick darauf, sondern ritt sofort dorthin, wo nach ihrer Erinnerung Spuren sein mußten. Sie konnte sie aber nicht finden.
»Gestern hat es zwar in Gleann Geis nicht geregnet, wohl aber hinter den Bergen. Es könnte sein, daß die Spuren fortgewaschen wurden«, meinte Eadulf
Fidelma suchte den Boden noch sorgfältiger ab.
»Aber nicht völlig«, rief sie triumphierend. »Hier sind noch schwache Umrisse der Wagenspuren.«
Eadulf ließ den Blick über die Umgebung schweifen, um eventuelle Gefahren auszumachen, denn er hielt das, was sie taten, immer noch für unklug. Wer nicht gezögert hatte, dreiunddreißig junge Männer hinzuschlachten, hätte auch keine Hemmungen, einen Mönch und eine Nonne zu töten, wenn sie zur Bedrohung wurden.
»Komm«, rief Fidelma, »die Spuren führen nach Norden.«
Sie ritt im Schritt weiter.
»Wie weit willst du noch?« murrte der Angelsachse. »Colla sagte, die Spuren seien bald verschwunden.«
Fidelma zeigte nach vorn auf die Hügel am Nordrand des Tals.
»Ich will bis zum Rand der Senke, bis dort, wo die Hügel beginnen. Wenn wir dort nichts mehr finden, reiten wir am Talrand zurück zur Schlucht, die nach Gleann Geis führt, und schließen unsere Angelegenheiten dort ab.«
»Mißtraust du Colla so sehr? Meinst du wirklich, daß er versucht hat, uns irrezuführen?«
»Ich ziehe es vor, mich auf meine eigenen Augen zu verlassen«, erwiderte Fidelma leichthin. »Und vergiß nicht, ich habe Orla vor dem Stall gesehen, das weiß ich. Daraus schließe ich, daß Colla gelogen hat, um seine Frau zu beschützen. Damit jedoch hat er mich in Gefahr gebracht. Was er einmal tat, kann er wieder tun.«
Schweigend ritten sie langsam weiter, ab und zu hielt Fidelma an und suchte nach den Wagenspuren. Die waren bald verschwunden. Sie waren schon nicht mehr zu erkennen gewesen, lange bevor der steinige Boden alle Anzeichen verbarg. Fidelma mußte zugeben, daß Colla die Wahrheit gesagt hatte. Sie waren noch reichlich eine Meile vom Fuß der Hügel entfernt, als keine Spur mehr zu entdecken war.
»Vielleicht hast du Colla doch unrecht getan?« vermutete Eadulf trocken.
Fidelma würdigte ihn keiner Antwort.
»Wenn wir ohne neue Erkenntnisse zurückkommen, wie willst du Laisre das erklären?« bohrte Eadulf.
Fidelma schob verärgert die Unterlippe vor. »Ich habe nicht die Gewohnheit, Erklärungen abzugeben«, erwiderte sie mürrisch. »Er hat kein Recht, meine Handlungen als
dálaigh
in Frage zu stellen.«
Sie zügelte ihr Pferd und beschattete die Augen mit der Hand. Dann atmete sie ärgerlich aus.
»Wenn ich wenigstens eine Ahnung hätte, wonach wir eigentlich suchen«, knurrte Eadulf mißgelaunt. »Ich glaube nicht, daß wir auf diesem Boden noch weitere Spuren finden. Was willst du sonst noch?«
Eine Weile gab Fidelma keine Antwort. Sie ritten schweigend weiter, bis der steinige Boden der Talsohle zu den umgebenden Hügeln anstieg. Aber die Suche blieb vergeblich. Etwa nach einer Stunde hielt Fidelma an und wies mit der Hand nach Süden.
»Wenn wir uns nach Süden wenden, kommen wir zu ein paar Grasflächen. Vielleicht finden wir dort noch etwas«, meinte sie hoffnungsvoll. »Dieser nördliche Weg gibt nichts mehr her.«
Eadulf unterdrückte einen Seufzer und folgte ihr. Er hatte das Gefühl, daß die ganze Sucherei nichts brachte. Hier waren keine Wagenspuren, aber Fidelma gab nicht auf. Eadulf wollte schon stärkere Einwände erheben und sagen, sie würden nur Zeit verschwenden und sollten endlich nach Gleann Geis zurückkehren, als Fidelma plötzlich hielt.
»Spuren von mehreren Pferden«, rief sie triumphierend und zeigte auf ein aufgewühltes Stück Rasen.
Eadulf bestätigte es mit säuerlichem Blick.
»Das bedeutet wenig ohne Wagenspuren. Viele Reiter könnten hier entlangkommen.«
Es geschah so plötzlich, daß Fidelma und Eadulf keine Zeit blieb zu reagieren.
Wie aus dem Nichts tauchte ein halbes Dutzend Reiter mit gezogenen Schwertern auf und umringte sie.
»Rührt euch
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